18. Februar 2024| KERAMIK, WERKSTATT­­GESPRÄCHE

Werkstattgespräch mit Susi Schmidt

Susi Schmidt nennt sich selbst die HausFrau und leistet alles, was eine hausechte Powerfrau so kann: Sie schmeißt ihren Alltag mit zwei Kindern, rockt ein Café – zapft Bier und kocht Kaffee, organisiert Musikkonzerte, Zeichenkurse bis hin zu Strickabenden und gibt ganz nebenbei noch Keramikkurse für Jeden, ganz zu schweigen von ihrer eigenen Keramik, den Häusern. Wie, warum und wann diese entstehen haben wir im Gespräch mit ihr erfahren, aber auch warum Höhr-Grenzhausen am Meer liegt.

Werkstattgespräch mit Susi Schmidt
Susi Schmidt - die HausFrau

Die HausFrau in ihrer Werkstatt.

Susi, erzähl´ zunächst mal, wo du herkommst beziehungsweise wie du nach Höhr-Grenzhausen gekommen bist.

Ich stamme aus Koblenz.

Das ist ja nicht so weit weg.

Nee, nicht weit weg, aber es ist eine völlig andere Galaxie – auf alle Fälle! Ich bin für die Berufsschule nach Höhr-Grenzhausen gekommen. Ich habe in Waldesch meine Lehre gemacht oder besser gesagt in Hünenfeld bei Waldesch. Daher musste ich immer zur Berufsschule nach Höhr-Grenzhausen fahren und habe irgendwie gedacht: Das ist ganz cool hier! Obwohl alle anderen immer gesagt haben: „Oh Gott, ist das hässlich hier.“ Ich fand das irgendwie direkt gut. Nach der Berufsschule war ich noch kurz in Frankreich und dann war klar, ich gehe in die Fachschule für Keramikgestaltung, da man die durch die Berufsschule schon ein bisschen gesehen und kennengelernt hatte. Und dann bin ich hier hängen geblieben.

Das heißt, du bist wegen der Keramik hierhergekommen. Wie hast du zur Keramik gefunden?

Das war ein Umweg, ich wollte eigentlich Schneiderin werden. Ich wollte unbedingt mit Stoff arbeiten und habe dann aber, in dem Jahr, wo ich eine Leerstelle gebraucht hätte, nicht die gekriegt, die ich haben wollte. Ich hatte mich da auf eine ganz bestimmte versteift. In die Werkstatt wollte ich unbedingt. Die hatten aber in dem Jahr einen Lehrling und dann hätte ich ein Jahr warten müssen. Da haben dann aber meine Eltern Stress gemacht. So wie das ist, bei Achtzehnjährigen. Sie haben gesagt: „ Kind mach doch was anderes!“ Dann sagte meine Tante: „Guck mal, da ist die Töpferei, wo deine Eltern das hübsche Geschirr her haben!“ So habe ich dort ein Praktikum gemacht und fand das super. Die fanden mich auch super und da hab ich dann das erste Mal Ton in der Hand gehabt, mit achtzehn. Dort habe ich dann drei großartige Lehrjahre verbracht. Richtig, richtig schön.

Susi Schmidt - die HausFrau

Das heißt, wenn deine Eltern da Geschirr gekauft haben, haben sie dir bereits einen kunsthandwerklichen Input mitgegeben?

Nö, ich komme aus einer schönen Akademikerfamilie. Meine Mutter mochte halt einfach dieses Geschirr. Ich fand das auch nett, aber irgendwie hatten wir gar keinen großen Bezug zur Keramik. Ich habe das erst durch mein Praktikum richtig wahrgenommen und hatte vorher noch nie getöpfert, das war mir alles fremd. Da wusste ich zum Beispiel auch nichts von Höhr-Grenzhausen, obwohl ich in Koblenz aufgewachsen bin.

Ich glaube, das ist nichts Ungewöhnliches.

Ja, aber ich find’s krass, ich bin so nah dran und weiß von nichts?!

Das hat damals die Bundesgartenschau in Koblenz auch gezeigt. Ich weiß nicht, aber ich glaube der meist gesprochene Satz war: Wie? Das gibt es alles in Höhr-Grenzhausen??!

Ok, Praktikum, dann Lehre. Ganz klassisch als Scheibentöpferin?

Ja genau, aber mein Lehrbetrieb war so’n bisschen schräg. Die haben nicht so super auf Serie gedreht, sondern die haben viel Kleinkram und Kinkerlitzchen verkauft, sowas wie Müslischälchen mit Schweinchen darauf oder mit Igelchen. Mein Chef hat einfach alles verkauft und ich habe meine totale Freiheit gehabt. Der hat mir 10 Teller hingelegt, hat gesagt „Dekoriere die mal!“ und ich durfte da draufmachen, was ich wollte. Er hat das einfach alles verkauft.

Das ist eher ungewöhnlich!

Genau! Aber es hat mir auch sehr viel Selbstbewusstsein gegeben, weil ich gesehen habe, dass sich alles, was ich mache, verkauft. Natürlich war es manchmal nervig, ständig Mäuse und Igelchen zu modellieren, aber auch da konnte ich mich total austoben. Es war einfach eine gute Zeit – hat Spaß gemacht.

Durch die Berufsschule war klar, es geht an die Fachschule für Keramikgestaltung. Warum Fachschule?

Ich dachte, ich hab da jetzt mal so reingeschnuppert in das Handwerk, nach drei Jahren Lehre kannst du ja irgendwie noch nicht so viel. Also wollte ich das gerne noch ein bisschen ausbauen und sehen, wohin geht es für mich, in welche keramische Richtung. Man hat in der Lehre einfach immer das vorgesetzt bekommen, was es in dem Lehrbetrieb gab. Durch die Berufsschulkollegen hatte man vielleicht auch noch ein paar andere Sachen gesehen, aber so wirklich wissen tut man als Lehrling ja noch nichts.

Sozusagen den Horizont erweitern?

Ja, ich war aber noch zwischenzeitlich ein Jahr in Frankreich, und zwar in La Borne, ein wundervoller, ganz besonderer Ort.

Wie lange hast du in La Borne gelebt?

Ein halbes Jahr. Meine Chefin hatte einen Katalog von einem Keramiker aus La Borne da liegen. Super Katalog, also wirklich sehr professionell gemacht. Die hat ihn sehr bewundert, weil das so perfekt gedreht war. Dann habe ich gedacht: Prima, da gehe ich hin, da kann ich drehen lernen, weil ich das in meiner Lehre nicht so perfekt gelernt hatte. Da kam ich dann da an und der Keramiker hat sofort geschnallt, dass ich nicht drehen kann und hat mich als Humorbeauftragte eingesetzt. Ich durfte also wieder Tierchen modellieren (Gelächter), die hatten so ganz tolle Käseplatten, mit Ziegenköpfen darauf, und so hatte ich wieder den gleichen Kram an der Backe. Daher bin ich mit wehenden Haaren da weg. Danach war klar, ich gehe auf die Fachschule.

Genau, zurück zur Fachschule. Wie war das?

Die Fachschule finde ich theoretisch super, weil sie ja echt alle erdenklichen Möglichkeiten bietet, und wenn du die entsprechende Reife hast, um dir das alles rauszuziehen, dann ist es genial. Ich hatte die Reife allerdings nicht, ich wollte Party machen. Habe aber trotzdem was gelernt. Wir haben alle etwas gelernt und ich habe ja meine Richtung eingeschlagen, indem ich dort schon die Häuser gebaut habe. Die waren plötzlich da und sind geblieben.

Susi Schmidt - die HausFrau

Susi arbeitet an ihren Häusern.

Warum Häuser, wo kam das so her?

Von der Fassade. Im dritten Semester hatten wir das Semesterthema Mobile Keramik bei Herrn Schwickert. Da haben Kommilitoninnen einen Film zum Thema gedreht. Die haben eine Kanne gefilmt auf dem Weg nach Höhr-Grenzhausen, auf der Autobahn, auf´m Fließband etc., das war so genial, haben aber glaube ich ‘ne 5 dafür bekommen, war halt zu unkeramisch … Naja und ich habe mich von diesen Popup-Kinderbüchern inspirieren lassen, wo sich etwas bewegen lässt. Ich wollte eine Hausfassade haben, wo sich hinter den Fenstern etwas bewegt. Eigentlich waren die Fenster ausschlaggebend für die Häuser. Weil ich durchgucken wollte und dahinter sollte sich was bewegen.

Stimmt, das war ein Thema, dass du weiterverfolgt hast.

Das war auch das Thema meiner Abschlussarbeit. Ich habe zunächst die Häuser gedruckt. Und habe dann auch angefangen, Texte auf die Häuser zu drucken, und zwar ein Text, der bis heute beständig ist. Von Rilke, die Aufzeichnung des Malte Laurids Brigge. Der beschreibt ein totales Abrisshaus, und zwar mit allen übelsten Gerüchen und Empfindungen. Was er aus diesem Abbruchhaus sehen kann, da Tapetenfetzen und dann das Abortrohr und so. Ein sehr poetischer Text, aber ziemlich düster. Ich fand einfach die Vorstellung ganz lustig, dass auf meinen süßen, harmlosen Häuschen – patsch! (klatscht in die Hand), da was Fieses drauf steht. Wobei, was heißt fies, das ist das wahre Leben …. Dieser Text hat sich bis heute durchgezogen.

Lesbar?

Nee, es sind immer nur Fetzen.

Also für dich steht er da drauf, aber für den Betrachter nicht.

Genau, manchmal kannst du das Wort „Urin“ lesen oder sowas (Lachen). Finde ich total gut.

Kommen dann auch schon mal Fragen?

Die häufigste Frage ist immer „Wie kommt denn da die Zeitung drauf?“ Erstmal wollen die Leute die Technik wissen. Aber zu dem Text … nee, eigentlich nicht. Bei meiner alten Drucktechnik, die mit dem Kopierer, war das Schriftbild viel deutlicher, da konnte man wirklich den ganzen Text lesen. Aber inzwischen nutze ich die Engobe-Umdrucktechnik und das mag ich so gerne, weil Text dadurch ziemlich kaputtgeht, es bleiben nur noch Fetzen hängen, und das passt wiederum zu diesen Abbruchhäusern oder zu Plakatabrissen. Ich war im ersten Moment total traurig, denn ich habe durch das Arbeiten mit dem Kopierer Kopfschmerzen gekriegt und  Halsschmerzen. Daher konnte ich das nicht mehr machen. Zur Erklärung: Ich hatte mir einen Kopierer manipuliert, sodass der Toner nicht mehr eingebrannt wurde, sondern lose auf dem Papier lag. Damit konnte man die Motive auf die Keramik übertragen. Das habe ich über Monate hinweg genutzt, bis es einfach nicht mehr ging. So habe ich ihn schweren Herzens verschrottet.

Man muss sagen, dass der Toner teilweise hochgiftig ist und unfixiert fliegt er natürlich überall herum.

Ja genau, das habe ich einfach gesundheitlich gemerkt und habe mich schweren Herzens dagegen entschieden. Aber jetzt bin ich ganz froh, dass ich diese neue Technik habe. Die ist komplizierter, also du musst reinkommen, es fließt nicht so. Bei der vorherigen Methode hast du einfach abgedruckt und fertig, und jetzt musst du immer herumexperimentieren, in welchem Zustand ist der Ton, in welchem Zustand ist die Engobe, kommt das Schriftbild gut raus etc. Das ist aber was, das kitzelt mich auch ein bisschen, das gut hinzukriegen. Das klappt meistens nur, wenn ich zwei bis drei Tage am Stück dran bin und arbeiten kann.

Ist sicherlich bei einigen Tätigkeiten so, dass man sich erst einarbeiten muss. Und Siebdruck?

Hat mich nie interessiert, das ist mir zu technisch. Die Maschinen und die Siebe belichten, das war mir alles zu kompliziert, hatte ich kein Bock drauf. Ich will das direkt machen, ohne Zwischenschritte, ohne Maschinen.

Gut, der Siebdruck ist natürlich da spannend, wo du vervielfältigst … was bei deinem Text z.B. Sinn machen würde.

Ja, aber da ist mir auch das Schriftbild zu deutlich, ich will lieber das Fragmenthafte.

Das stimmt, man fängt an, den Untergrund rauer zu gestalten, damit der Druck nicht zu deutlich erscheint, dass es noch handgemacht aussieht. Man wird irgendwann einfach zu gut.

Genau! Zu perfekt, (beide lachen) das ist wirklich so.

Ich koche uns jetzt einen Kaffee

Ok.

Gut, Fachschule war fertig …

… und ich war auch fertig, ich hatte so richtig die Nase voll von der Keramik. Ich habe mir gedacht: ja, was soll ich jetzt damit, mich selbstständig machen? Traue ich mich nicht. Was mache ich bloß? Und dann hat mein damaliger Freund sich an der Uni Koblenz eingeschrieben. Ich habe gedacht „Ach, könnte ich ja auch mal …“ Ich hatte nämlich so einen Flyer von der Uni in die Hand gekriegt, wo alle Studiengängen aufgeführt waren. Und da gab es Französisch, und da ich ja insgesamt mehrere Jahre in Frankreich gelebt hatte, kam mir spontan die Idee, Romanistik und Kunst zu studieren. Dank der Fachschule brauchte ich auch keine Kunstmappe mehr, die haben mich einfach so genommen und plötzlich habe ich auf Lehramt studiert und fand das so ungefähr die ersten 2 Semester ganz spannend. Und dann habe ich dort etwas gefunden, was sehr wegweisend für mein weiteres Leben war: eine perfekt eingerichtete Keramikwerkstatt, noch nicht angerührt, völlig nigelnagelneu! Ein neuer 300 Liter Ofen, alle Werkzeuge, Glasurspritze, Eimer, alles, was eine Keramikwerkstatt braucht! Da bin ich zu den Dozenten hin und habe gefragt: „Was soll das denn, warum ist denn hier keiner?“ Sie haben gesagt, sie hatten Budget, aber es gibt niemand, der sich auskennt. So habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn gesagt, dass ich das kann und – zack!- hatte ich einen Lehrauftrag an der Uni Koblenz. Ich habe dann studiert und war gleichzeitig im zweiten Semester Dozentin. Mein Freund brauchte einen Kurs in Werken und hat dann bei mir seinen Schein gemacht. Und plötzlich standen jede Woche so um die 20 Studenten vor mir. Denen habe ich Töpfern beigebracht, so richtig klassisch. Ich hatte auch meine Scheibe da stehen.

Verrückt.

Da habe ich alles gelernt, was ich jetzt für meine Kurse brauche. Ansonsten habe ich nicht so viel gelernt in der Uni – lacht. Aber ich habe dort gelernt, einen Kurs zu konzipieren und Handwerk zu vermitteln.

Zwanzig Kursteilnehmer sind ja auch nicht wenig! Die waren wahrscheinlich nicht immer alle auf einmal da.

Ach doch, fünfzehn waren es bestimmt jedes Mal, die hatten auch echt Spaß. Sie kamen gerne zu mir und ich fand es auch super. Dann habe ich mich noch ein bisschen durch mein Studium gequält, weil ich da eigentlich nur das studiert habe, worauf ich Bock hatte und alles andere habe ich irgendwie schleifen lassen. Dann brauchte ich für mein Romanistikstudium ein Auslandsaufenthalt und …

Lass mich raten!

Ja.

Frankreich?

Natürlich! (Beide lachen) Zu der Zeit war bei Armin Skirde (Kollege) in der Werkstatt eine Praktikantin, eine Französin, Sandrine Lanoë, eine ganz wunderbare Frau. Sie war in Paris an einer Art Fachschule. Die Franzosen haben ja immer schickere Namen:  Ecole Nationale Supérieure des Arts Appliqués et des Métiers d’Art.

Keramisch?

Genau, ich habe gedacht: Ok, ich brauche ein Praktikum in Frankreich, dann bewerbe ich mich da doch mal! Habe mich aber gleichzeitig, weil französische Freunde in der Bretagne ein Ferienhäuschen hatten, auch dort an einer Schule beworben und habe von beiden eine Zusage bekommen. Dann habe ich gedacht: Was mache ich jetzt? So habe ich beides gemacht, war erst ein halbes Jahr als Lehrerin in der Schule, also als assistante de langue, so heißt das dort.

So etwas wie eine Assistentin?

Ja und es war sooo langweilig in der Schule!

Warum?

Na ja, Hausaufgaben korrigieren und immer wieder das Gleiche. Also ich fand das todlangweilig, ich habe gedacht: Ich kann unmöglich normale Lehrerin werden.

Ach so, nicht keramisch praktischer Unterricht?

Nein, das war eine ganz normale Schule, ich habe ja studiert für Lehramt, das war so was wie eine Gesamtschule, Mittelstufe.

Ich verstehe und was hast du unterrichtet?

Ich hatte die fünfte bis neunte Klasse und habe Deutsch als Sprachassistentin unterrichtet. Kunst habe ich auch machen dürfen. Im Anschluss hätten sie mir sogar für ein Jahr die Stelle als Kunstlehrerin angeboten. Das habe ich dann aber nicht mehr gemacht.  Die französische Deutschlehrerin, bei der ich im Praktikum war, eine ganz wunderbare, verrückte, alternative Frau, hat bei mir ein Geschirr bestellt und das hab ich dann in Paris an dieser École superieure hergestellt. Dafür brauchte ich Gipsplatten. Du kennst die Gipswerkstatt hier an der Fachschule, da war ja immer alles geleckt und labormäßig. Ich komme also da in Paris in die Gipse, im Keller, im Altbau, und finde eine unglaublich dicke Schicht Gips an den Wänden, und ich habe mich sofort wohlgefühlt! Also habe ich in Paris im Keller meine Liebe für die Gipse entdeckt, die ich hier nie hatte. Und dann habe ich da dieses Geschirr hergestellt, aus Porzellan an der Fußdrehscheibe und habe im Grunde dort wieder zur Keramik zurückgefunden.

Also alles ein völliger Wahnsinn?

Ja, ein völliger Wahnsinn, aber es war super! (Lachen) Ich habe da eigentlich drei bis vier Monate durchgedreht. Die haben mich auch total in Ruhe gelassen. Die wussten eigentlich gar nicht so richtig, was sie mit mir anfangen sollten, weil ich ja schon drehen konnte, was die anderen noch nicht konnten und dann hab ich denen auch wieder das Drehen beigebracht. Da war ich also wieder Lehrerin. Insgesamt war es so eine richtig coole Pariser Partyzeit. Ich konnte auch umsonst bei einer Freundin in Paris wohnen, also ein Traum für einen jungen Menschen.

Das glaube ich sofort, allein das Großstadtfeeling!

Genau, in der Bretagne, da war ich in einem Dreitausendseelendorf … es war wirklich ein kontrastreiches Jahr, aber beides war großartig. Auf der einen Seite zwar der langweilige Schulalltag, dafür aber jeden Tag Spaziergänge am Meer und dann in Paris das volle Studentenleben … also beides sehr bereichernd.

In der Werkstatt von Susi Schmidt - die HausFrau

Aber trotzdem bist du wieder hierhergekommen. Also von Paris nach Höhr-Grenzhausen zurück, das musst du jetzt schon noch ein bisschen erklären!

Na ja, ich musste … oder wollte ja mein Studium fortsetzen.

Das war doch eigentlich doof.

Ja, bis auf meinen Lehrauftrag war das Studium ziemlich doof! Ich habe das aber trotzdem fertig gemacht, obwohl ich gar keine Lust mehr hatte Lehrerin zu werden.

Theoretisch hätte dich Paris packen können, oder?

Paris? Nee.

Als Phase gut, aber für länger nicht vorstellbar?

Nee, ich bin kein Großstadtmensch, das war gut für die Zeit, aber ich wollte wieder aufs Land. Ich habe wirklich den Wald vermisst. Hier habe ich, wie gesagt, mein Studium weitergemacht und ein Jahr später, eigentlich durch Fernando ….

Die Liebe?

Genau, er hat mich so ein bisschen angetrieben und gesagt: „Mach´ dich doch selbständig, das macht dir doch so Spaß.“ Dann bin ich mit Tine Angerer und Verena Skirde ins Kasino, bzw. damals noch Werkstattgemeinschaft Trialog, eingezogen. Wir waren ein Vierteljahr da, oben auf einer Art Rampe, das war zu dritt unsere Werkstatt. Dort sind wir aber wieder raus, weil das Haus verkauft wurde. So haben wir uns dann bei Frau Engelmann, also in der ehemaligen Merkelbach Manufaktur eingemietet. Das war 2007. Da habe ich schon meine ersten Kurse gegeben, da oben drin. Das Café kam dann 2009 dazu. Ich habe aber immer noch die ganze Zeit studiert, also das Studium plätscherte so nebenbei vor sich hin. Ja, in dieser Zeit ist viel passiert: ein neuer Mann ist in meinem Leben getreten, die Selbstständigkeit und ein Café (Lacht)

Wie seid ihr zu dem Café gekommen?

Da ich die Werkstatt oben hatte, sind wir oft im Café unten gewesen und fanden es total schön da. Als Claudia Henkel, eine Kollegin und ihr Mann Francesco rausgegangen sind, haben wir es übernommen. In der Selbstständigkeit habe ich anfangs gar keine Häuser gemacht, sondern hab Geschirr hergestellt, bunt engobiertes Geschirr.

Stimmt, das hat Tine Angerer in Ihrem Interview erzählt, dass ihr anfangs versucht habt eine Gemeinschaftsproduktion auf die Beine zu stellen.

Genau, das war meine Idee, ich wollte, dass jeder die eigenen Formen dreht und dann darf jeder bei dem anderen noch mal sein Dekor aufbringen. Irgendwie gab’s das mal bei H&M, dass die Unterhosen und die BHs in verschiedener Ausfertigung, mit bestimmten Mustern kombinierbar waren. Das fand ich irgendwie lustig, dass von jedem was darauf ist. Das war total wirr.

Also hat es nicht geklappt? Zumindest seid ihr schnell dahingekommen, dass dann doch jeder wieder sein eigenes macht.

Ja, wir hatten einen Markt, da haben wir ganz gut verkauft, aber dann ist Verena ausgestiegen. Ich glaube, wir haben es nie so richtig erfahren, aber wir waren ihr zu chaotisch. Tine und ich, wir sind so, dass wir alles zusammenschmeißen können. Wir nutzen alle Pinsel, alle Farben, Tone, Glasuren, jeder alles vom anderen …. Und Verena, die saß zwischen uns und für sie war das wahrscheinlich zu chaotisch. Sie hat das nie so gesagt, aber sie war dann plötzlich weg. Dann kamen und gingen verschiedene Kollegen, bis zur heutigen Konstellation.

Ihr habt im Prinzip die Werkstatt von Frau Engelmann bekommen, als die Produktion der Merkelbach Manufaktur noch lief?

Wir haben den letzten Ofen noch mitgekriegt, da haben nur noch drei Leute dort gearbeitet und irgendwann hat keiner mehr da gearbeitet.

Man kann eigentlich von einem nahtlosen Übergang reden?

Ja genau, total! Merkelbach ist ….

… ganz Libre geworden!

Lachen. Sehr bunt geworden!

Das neue graublau!

Genau das neue Buntgrau.

Eine witzige Vorstellung, war natürlich nicht so, aber ich stelle mir gerade vor, dass dieser wilde Haufen zwischen den Mitarbeitern von Merkelbach herumspringt.

Vor allem waren wir ja mehr als die letzten Arbeiter!

Neulich war ein ehemaliger Merkelbach-Arbeiter da, das war irre und dann frage ich ihn: „Was machen Sie denn jetzt?“ Und dann sagt er doch glatt: „Ich nähe.“ Und dass er Patchwork macht. Ich hatte mit 13 auch mit Patchwork angefangen, das hat mich überhaupt zum Nähen gebracht. Gleichzeitig hatte ich gerade eine Kursteilnehmerin da und die sagte: „Ich mache auch Patchwork!“ Ich dachte, das ist jetzt wie im Film. Soll mir das jetzt sagen, ich muss wieder nähen oder doch noch meine Schneiderlehre machen?

Gute Zwischenfrage, das Nähen war komplett verworfen?

Das hing mir sehr nach, der Gedanke kam immer wieder hoch. Ich hab auch immer gesagt, also wenn ich mit der Berufsschule fertig bin, mache ich nochmal eine Schneiderlehre …. Dann kam die Uni dazwischen. Ich habe aber immer irgendwie auch mit Stoff weitergearbeitet, an der Fachschule habe ich zum Beispiel Keramik mit Stoff kombiniert. Aber ich glaube, ich habe einfach mehrere Bereiche. Ich arbeite auch mit Papier und male. Ich erkenne die Gemeinsamkeiten. Weil ich nämlich immer irgendwie Patchwork mache. Collagen sind ja auch nichts anderes als Patchwork. Bei meinem Ton ist es auch so, dass ich alte Massen nutze und die irgendwie kombiniere. Das ist immer das gleiche Prinzip. Ich sammele ganz viel von allem, was mir dann einfach auch mal über den Kopf wächst, aber das ist einfach meins. Am liebsten habe ich es, alles auf einen Haufen zu schmeißen und dann zu gucken: Ok, da kann ich noch was draus machen. Das ist der erfüllende Moment: zu wissen, wofür ich das jetzt 20 Jahre in der Kiste aufgehoben habe.

Das ist im Prinzip die Herangehensweise an deine Arbeit?

Genau, egal welches Material, es ist immer so, erstmal das Sammelsurium durchzuwühlen. Wir schweifen immer ab, ne?

Das macht nichts, das ist ja deine Geschichte.

Meine Geschichte ist immer so ein “Vom-Weg-Abkommen” und dann den Sinn darin sehen.

Der rote Faden ist Höhr-Grenzhausen, das kann man doch so sagen?

Ja, ich bin auch immer in Höhr geblieben, obwohl ich in Koblenz studiert habe. Anfangs hatte ich keinen Führerschein, da war ich dann irgendwie 3 Stunden bis Koblenz unterwegs, aber es war klar, ich will hier sein, in diesem keramischen Umfeld.

Liebe auf den ersten Blick. Bei den meisten ist es Liebe auf den zweiten Blick bzw. sage ich immer, man muss es lieben lernen.

Das war wirklich so, ich weiß noch ganz genau den Moment am Alexanderplatz, bei der türkischen Kneipe, ich bin mit dem Bus Richtung Berufsschule um die Ecke gefahren und wusste schlagartig: hier will ich wohnen. Obwohl das ja echt hässlich ist, da unten. Ich weiß nicht, was mir gesagt hat, hier musst du sein.

Vor allem war das vor 25 Jahren, da hat sich viel getan!

Ich weiß auch nicht, es war irgendwo ein Gefühl, hier kann ich gut sein. Ich habe auch immer in Höhr gewohnt, was ja der hässlichere Teil von Höhr-Grenzhausen ist. Ich wollte nie in Grenzhausen wohnen! Warum auch immer, ich weiß es nicht. Aber es war gut hier und das ist bis heute immer noch.

verschiedenartige Tone werden zunächst zu Platten verarbeitet, aus denen nun die Hausfassaden entstehen.

Susi Schmidt - die HausFrau

Ihr konntet das Café übernehmen und habt das dann auch gemacht?

Ja, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Wir saßen an Silvester bei Freunden und da hieß es, Claudia und Francesco machen das Café zu. Wir haben dann ein bisschen herumgesponnen, auf einmal hieß es: Macht ihr das doch! Ok, mal gucken … ein oder zwei Tage später sind wir im Rewe einkaufen gewesen und dann sagte irgendwer zu uns: „Ah, ich habe schon gehört, ihr macht das Café!“

Das ist Höhr-Grenzhausen!

Beide Lachen. Wir haben gedacht: Ok, wenn die uns das zutrauen, dann machen wir das. Wir wussten nichts, ich habe noch nie gekellnert vorher. Diese Kaffeemaschine hatten wir noch nie gesehen, gezapft hatte ich auch noch nie. Wir wussten einfach gar nichts!

Und Los!

Wieder Lachen. Ja und gleichzeitig noch ein Studium im Nacken ….

Also ab ins kalte Café

Genau, in den kalten Kaffee gesprungen und dann gab es ja eine Werkstatt neben dran, das war super, die Kombi war cool, weil ich da meine Kurse geben konnte und das lief immer parallel mit meiner eigenen Arbeit.

Du hast von Anfang an Kurse gegeben? 

Ich habe schon immer Kurse gegeben, das wollte ich auch immer machen. Da kommt dann doch die Lehrerin bei mir durch.

Du bietest auch eine etwas andere Form von den momentan üblichen Workshops an.

Ich sage immer, ich bin die Grundschullehrerin, ich lehre die Basics und ich bin wirklich auch für den kleinen Mann/ Frau da. Also für jedermann. Ich biete wöchentliche Kurse an. Da kommen Teilnehmer*innen regelmäßig, manche schon seit 10 Jahren. Aber ich habe auch Kurse für jemand, der einfach nur mal schnuppern will, für Leute, die noch nie vorher Ton in der Hand hatten. Ich habe auch schon Junggesellenabschiede gemacht. Also genau das, was so der typische Kursleiter nicht machen möchte. Ich mache das gerne, ich mag es, Leuten das Material näherzubringen, die sonst einfach gar keine Berührungspunkte haben. Bei mir war es ja nicht anders, ich hatte vorher auch kein Ton in der Hand gehabt und bin da so reingekommen und dachte: fantastisch!

Aber bei einem Junggesellenabend wollen die doch nicht wirklich das Material kennenlernen.

Doch! Wenn die bei MIR im Kurs sind! (Lachen) Ich habe wirklich noch keinen gehabt, der aus meinem Kurs rausgegangen ist und gesagt hat „Was ein Scheiß!“ Es sind immer alle froh und regelrecht verwundert, wie genial das ist. Gerade die Männer, die von ihren Frauen mitgeschleppt werden und das am Anfang etwas lächerlich finden, die bekommst du nachher kaum aus der Werkstatt raus. Weil die da noch rumknispeln und hier noch was dranmodellieren oder da noch ein Stempelchen draufsetzen. Das macht mir einfach Freude, das Bodenpersonal zu sein und die Leute zu sensibilisieren für das, was andere Keramiker hier machen. Die sehen das dann mit anderen Augen. Gerade wenn sie auch mal so einen ganzen Kurs durchlaufen haben, mal glasiert haben, mal einen Ofen gesetzt haben, wissen sie plötzlich, was dahinter steht. Das wissen sie vorher natürlich nicht. Die fragen sich, wieso bei Ikea 89 Cent an der Tasse steht und hier aber 29 Euro.

Aufklärungsarbeit?

Genau, ich leiste Aufklärungsarbeit …

Unsere Aufklärungsbeauftragte!

Beide Lachen. Ja, ich bin die keramische Aufklärungsbeauftragte in Höhr-Grenzhausen. Und ich sehe mich wirklich als Grundschullehrerin.

Zurück zu deinem Werdegang: es laufen ganz schön viele Baustellen nebeneinander her. Das Studium, das Café, die eigene Keramik, eigenes Kursprogramm und -schwuppdiwupp – kam, glaube ich …

… der Oscar. Genau, unser erstes Kind. Er wollte auch sieben Wochen früher auf die Welt kommen und hat mich dann komplett aus meinem Leben herauskatapultiert, auf einen Schlag. Ich weiß noch, ich habe mit dickem Bauch hinter der Zapfanlage gestanden und am nächsten Tag war ich im Krankenhaus. Der hat gesagt: So, jetzt reicht’s mal, jetzt machst du mal was ruhiger!

Jetzt machen wir die Baustellen zu!

Ja, alle Baustellen werden geschlossen, ich bin jetzt die Baustelle, liebe Mama! Na und – zack – das Wunder von Grenzhausen, war ich wieder schwanger und habe ein Jahr später das zweite Kind, unsere Tochter Cleo zur Welt gebracht. Da war dann klar, so, jetzt ist mal was ganz anderes angesagt.

Kinder sortieren wahrscheinlich auch.

Das hat aber etwas gedauert bei mir, weil ich am Anfang echt auch zu knapsen hatte. Ich finde, als Künstlerin Kinder zu bekommen, ist schon eine große Herausforderung. Du liebst ja deine Arbeit über alles, es gibt dir total viel, ist deine Leidenschaft. Und dann kommt da so ein kleines Wesen, das du auch total liebst und für das du da sein möchtest, aber du musst halt total demütig werden. Das konnte ich am Anfang nicht, das ist mir sehr schwergefallen. Mit zwei kleinen Wickelkindern zu Hause ist mir die Decke ganz schön auf den Kopf gefallen.

Bei zweien sind auch die Hände voll, sonst könnte man noch nebenbei ein bisschen töpfern.

Hab ich versucht! Am Anfang, als ich noch nicht wusste, was es bedeutet, Kinder zu haben, habe ich getönt: Och, ich nehme die mit in die Werkstatt. Oscar habe ich dann in so einen Laufstall in der Werkstatt gesteckt. Und was hat er gemacht? Der hat den Schlickerpott gepackt und einmal so gemacht (ausladende Wischbewegung) und der Laufstall war ein Schlammbecken und ich total genervt! Mit Kindern zu arbeiten, das kannst du dir abschminken, da musst du wirklich richtig gechillt sein. Das hat mich sehr beschäftigt und meine Arbeit hat mir wirklich richtig gefehlt. Eigentlich kam die Erleichterung erst dann, als wir getauscht haben, also als die Kleinen nicht mehr an meiner Brust hingen und Fernando bei ihnen bleiben konnte. Wir waren ja total getrennt in der Zeit, Fernando war im Café, ich bei den Kindern. Das ist uns beiden sehr schwergefallen. Gut war es eigentlich erst, als wir gewechselt haben.

Dein Studium war beendet?

Genau, Studium ist weggefallen. Ich habe noch hochschwanger meine Prüfung geschrieben und dann war mir eigentlich schon die Entscheidung abgenommen, mache ich mein Referendariat oder nicht? Hat Oscar entschieden: Nee machst du nicht. Ich war froh, weil ich eh kein Bock auf Schule hatte. Mir war klar, ich gehe nicht in die Schule, es war von vornherein klar, es war mir eigentlich im zweiten Semester schon klar, dass ich nicht in der Schule gehe. Aber dadurch, dass ich diesen coolen Lehrauftrag da an der Uni hatte …

Ach so, der lief auch noch?!

… ja den hatte ich mein ganzes Studium über und das ist dann, mit der Ende meines Studiums ausgelaufen, weil die dann nämlich den Bereich Kunst in Koblenz geschlossen haben. Französisch auch. Dafür musste man dann nach Landau fahren. Meine Französischprüfung musste schon in Landau machen. Die haben eigentlich alles, was ich studiert habe, in Koblenz zugemacht.

Kunst wird oft als erstes gestrichen.

Genau, in dem Fall ist Französisch als erstes gestrichen worden. Ich habe zwar noch mein Examen gemacht, aber es war klar, das brauche ich nicht für mein weiteres Leben. Also die Baustelle ist weggefallen, dafür hatte ich zwei Kinder.

Ob die jetzt kleiner war, die Baustelle, sei mal dahingestellt? Aber dieses Schiff habt ihr irgendwie ganz gut geschaukelt. Zwischendrin hast du mir mal kurz gesagt, das ist gar nicht so lang her, jetzt bin ich nur noch Kaffeetante und ganz glücklich dabei.

Na, Kurse habe ich noch gemacht, aber ich hab meine eigene Keramik hinten angestellt. Die Häuser sind weggefallen, weil ich irgendwie gedacht habe, die Häuser sind eigentlich nur ein Teil meiner Arbeit, nur ein Bereich. Weil ich auch noch male oder, wenn ich dann mal irgendwann Zeit habe, auch nähe. Ich wollte das nicht mehr so im Vordergrund haben, beziehungsweise wollte ich nicht mehr so unter Druck sein, was produzieren zu müssen. Das ist mir klar geworden, dass das Quatsch ist, weil die Sachen dann auch nicht gut werden.

Das verstehe ich, wenn man einfach zu viele Bälle in der Luft halten muss.

Es leidet alles darunter! Nach Corona mussten wir gucken, dass wir das Café wieder irgendwie aufbauen und dann hab ich gedacht: Komm, ich konzentriere mich jetzt da drauf. Meine Werkstatt ist nur für meine Kursteilnehmer da.

In der Keramik-Werkstatt von Susi Schmidt - die HausFrau

Ihr habt eine recht radikale Fahrt hingelegt in der Pandemie, ihr hattet die gesamte Zeit zu.

Das war aber super, weil wir dadurch auch zur Besinnung kamen und endlich mal zu einem ordentlichen Familienleben. Wir haben einfach erkannt, dass das zu viel war, vorher. Viel zu viel.

Es gibt verschiedene Sichtweisen auf Corona, da möchte ich gar nicht drauf hinaus, aber ich glaube, wenn man einen positiven Effekt herausziehen möchte, dass einfach mal der Notausknopf gedrückt wurde, war gut. Nicht für alle, aber für einige. Dass man gezwungen wurde, anzuhalten.

Genau und Fernando hatte ja kurz vor Corona einen schweren Fahrradunfall. Ich habe ihn am Tag der Schulschließungen aus dem Krankenhaus herausgeholt. Wenn ich mir vorstelle, es wäre alles aufgeblieben, also ich hätte Keramikkurse, Haushalt, Café etc. alles alleine schmeißen müssen, das hätte ich gar nicht geschafft! Ich war so froh, wir haben einfach im Garten gelegen, haben uns über das schöne Wetter gefreut und uns Gedanken über unser Leben gemacht. Und das ist dabei rausgekommen.

Dieses Anhalten und dieses von außen reflektieren, was macht man da eigentlich?

Ja, dieses ständige Rasen …

Im Hamsterrad denkst du ja auch nicht darüber nach, weil du bist drin und strampelst einfach. Ist das Eine geschafft, dann kommt das Nächste …

Ok, wir hatten Café, Kinder … was noch?!

Das sind meine drei K’s – Kaffee, Kinder, Keramik!

Lachen. Die eigene Keramik hast du aufgegeben, das heißt, du machst nur Häuser, wenn du Lust darauf hast? Fehlt dir da nichts?

Mir fehlt auf jeden Fall einfach mal am Stück kreativ tätig zu sein. Das fehlt mir total, einfach mal 3 Tage in der Werkstatt einschließen und was intensiv tun. Das ist immer nur gestückelt. So kam ich aber übrigens auch wieder auf die Häuser. Als ich noch Geschirr gemacht habe, war das – gerade mit Kindern – einfach immer schwer abzuschätzen. Entweder die Sachen waren vertrocknet oder noch zu feucht, wenn ich mal Zeit hatte. Bei meinen Häusern ist das ganz einfach, die lasse ich vertrocknen, dann packe ich sie wieder in feuchte Tücher und dann sind die so richtig schön brüchig, wie ich sie haben will. Die kann ich einfach auch mal ein halbes Jahr stehen lassen. Daher passt das ganz gut, die Häuser kann ich machen, wenn ich mal Zeit und Muße habe.

Warum setzt du Pflanzen in deine Häuser, war das eine bewusste Entscheidung?

Das ist Hauswurz, eine Sukkulente. Die habe ich einfach reingesetzt, weil die auch so schön aus den Fenstern wachsen. Irgendwann, Jahre später, kam ich drauf, die heißen ja auch noch Hauswurz, das sollte also wohl so sein. An der Fachschule habe ich Wandbilder gemacht, aber irgendwann dachte ich, ich komme doch aus dem Gefäßbereich. Ich habe doch Töpferin gelernt.

Dadurch sind die Häuser dreidimensional geworden?

Ja. Zum einen hab ich mir natürlich schon ein bisschen überlegt, was ich denn verkaufen kann. Gartenkeramik geht immer. Zum anderen wollte ich aber auch einen Nutzen und Gefäß fand ich einfach schön. Daraus haben sich dann Kerzenhäuser entwickelt oder Duftlampen.

Was bedeutet der Standort Höhr-Grenzhausen für dich? In deinem Fall spielen sicherlich verschiedene Aspekte eine Rolle.

Ich schätze sehr den Austausch hier. Der Austausch zwischen allerlei verschiedenen Menschen, einmal der Keramiker*innen unter sich, ich habe hier meine besten Freundinnen gefunden. In Koblenz habe ich mich immer als Alien gefühlt, gerade als ich dann die Töpferlehre gemacht habe, habe ich ja noch in Koblenz gewohnt. Da haben mich immer alle angeguckt wie vom Mars. Hier bin ich so ganz normal und gehöre einfach dazu. Und das Café ist natürlich sehr wichtig für die Gemeinschaft.

Ich weiß nicht, ob du das hier einfließen lassen möchtest, wenn wir erzählen, dass das Café momentan ein eher bedrohter Ort ist und eine eventuelle Schließung droht.

Es ist ein wichtiger Treffpunkt geworden, für alle möglichen Menschen und es ist so wichtig, dass das erhalten bleibt.

Ein wichtiger Aspekt bei der ganzen Geschichte ist auch, dass das Café in der Form oder ähnlich bereits existierte, bevor ein Hausbesitzerwechsel stattfand.

Ja, es gab es eben auch schon vorher, die ersten Verträge wurden mit Frau Engelmann abgeschlossen. Um es mal positiv zu formulieren, ich sehe dieses ganze Potenzial, was da ist, wenn einfach Menschen zusammenkommen. Sei es im Café, wo irgendwelche Musikveranstaltungen stattfinden, wo sich Musiker treffen, oder jetzt gibt es auch ein Zeichenkurs bei uns, Strickabende … es kommen Leute zusammen, die einfach Spaß an dem haben, was sie tun. Ich sehe dieses Potenzial, was da ist und was daraus erwachsen kann, wenn sich Menschen treffen, die einfach Freude am gemeinsamen Wirken haben. Hier würde ich mir wünschen, dass das noch ein bisschen mehr gefördert und unterstützt wird, indem eben diese Räumlichkeiten bedingungslos zur Verfügung gestellt werden und nicht mit dem Hintergedanken, dass man da unbedingt Profit rausholen muss.

Oder einer freien Szene nicht vorschreibt, wie sie zu laufen hat. Ich bin der Meinung, wir sind Kulturschaffende, weil wir frei schaffen bzw. freigeistige Menschen sind.

Mir hat eine Kursteilnehmerin geschrieben, Kunst ist die Tochter der Freiheit. Kreativität braucht absolute Freiheit, und Kontrolle ist der Tod jeglicher Kreativität. Das ist das, was ich in meinem Leben immer gebraucht habe, absolute Freiheit. Unser Café heißt nicht umsonst Café Libre. Das ist zwar durch Zufall entstanden, das war gar nicht unsere Entscheidung …

Sondern? Kurze Geschichte dazu?

Unsere Nachbarin kam rein und sagte: „Nennt es doch Café Libre!“, weil wir damals immer Cuba Libre getrunken haben und wir haben sofort gewusst: Ja, das ist es! Erst im Nachhinein, jetzt all die Jahre später, haben wir kapiert, das passt genau – perfekt.

Letzten Endes trifft das ja auch auf die gesamte Szene zu. Ich denke immer, wir haben unser Leben so gewählt, weil wir so leben möchten, wie wir leben. Es ist eine Lebensart und ich glaube nicht, dass du eine Lebensart in irgendeiner Weise künstlich erschaffen und vermarkten kannst. Die muss wachsen, oder entsteht vielleicht aus einer Tradition.

Ich hab es für mich bewusst gewählt. Ich könnte jetzt schon verbeamtet sein, lange verbeamtet sein, aber das wollte ich nicht. Ich wollte diese Freiheit und natürlich ist dann das Risiko, oder das, was du dafür bezahlst, die Sicherheit, ob es finanzielle Sicherheit ist, oder was auch immer. Aber nö, es war mir klar, dass das meine Art zu leben ist.

Wenn man hinschaut, leben wir ja auch alle, vielleicht mit ein bisschen weniger Geld, aber es ist ausreichend zum Leben da, wir sind nicht bedürftig.

Meine Kinder fragen immer: „Mama, sind wir reich oder arm?“  Ich sage: „Wir sind superreich. Wir haben alles, was wir zum Leben brauchen und wir haben ein total gutes Leben.“  Wenn mich ein Tourist fragt:: „Kann man denn davon leben?“, sage ich immer: „Schauen sie her, wir leben doch!“ Wir leben ganz wunderbar.

Genau, und hier ist auch eine ganze Szene, die lebt!

Wir haben eine andere Form von Reichtum und das ist, glaube ich, auch das, was die Menschen von außen fasziniert. Dass wir eben diese Art Leben führen und diese Freiheiten haben und so eine andere Form von Reichtum haben.

Vielleicht natürlich auch unserer Kreativität geschuldet. Besucher kommen hier hin und sagen „Oh, wie ist das schön, wie ist das ist toll.“ Deswegen sind diese Orte so wichtig, dass sie zum einen besetzt werden, irgendwie frei weitergelebt werden. Ich glaube, es kommt nicht unbedingt jemand in ein Neubaugebiet und sagt, oh schön.

Lachen. Die gibt’s bestimmt auch!

Es kommt oft aus tiefstem Herzen der Besucher, die sagen: „Das ist hier wie in Italien.“ Sie verknüpfen in dem Moment durchaus ein positives Gefühl, ein Urlaubsgefühl.

Ich sage dann auch immer: „Das ist nicht die Autobahn, das ist Meeresrauschen.“

Ganz klar, Höhr-Grenzhausen liegt am Meer!

In der Keramik-Werkstatt von Susi Schmidt - die HausFrau