Werkstattgespräch mit Grit Uhlemann

Grit Uhlemann arbeitet mit Porzellan und Steinzeug. Sie entwickelt Leuchtobjekte, gibt Glasurkurse, fertigt Gebrauchskeramik und noch vieles mehr.

Wir haben Grit in Ihrer Werkstatt besucht und haben so einiges über sie und ihre Arbeit erfahren, lest selbst.

Grit Uhlemann in Ihrer Werkstattt
© Janos Wlachopulos

Grit Uhlemann in ihrer Werkstatt

Wie lange lebst du schon in Höhr-Grenzhausen?

Seit 2011, also schon über 10 Jahre bin ich hier. Nach meiner Keramikgestalterausbildung hatte ich mich entschlossen hier in die Werkstattgemeinschaft „Ceramix“ zu gehen.

 

Was hat dich bewegt, nach Höhr-Grenzhausen zu kommen und auch hier zu bleiben?

Ich wollte meine Ausbildung als „Keramikgestalterin“ in der Fachschule machen. Ja und mir hat es hier so gut gefallen, dass ich hier „hängen“ geblieben bin.
Keramisch fing alles damit an, dass meine Mutter in meiner Kindheit in zwei Keramikzirkeln war. Dort wurde sehr viel experimentiert. Keramik war bei ihnen zwar nur Hobby, aber dennoch waren die beiden Gruppen sehr enthusiastisch. Das war in Dresden, wo ich groß geworden bin. Tatsächlich fand ich die Leute damals, die Erwachsenen und die Kinder, viel freier als ich das bei meinen Eltern erlebt habe. Das war für mich immer ein tolles Ideal. Es ging noch gar nicht so um das Keramische. Es waren fast mehr die Menschen und diese Mentalität.

Mit 18 Jahren bin ich dann nach Irland gegangen, wo ich dachte, ich müsste mich komplett neu selbst erfinden. Ich habe da viel Selbstversorgung gemacht, mich mit ganz vielen Sachen beschäftigt, die ich zu der Zeit sehr interessant fand, wie Schamanismus und in der Natur zu leben. Schließlich habe ich in Irland Kunst studiert. Habe aber immer eine enge Verbindung zur Keramik gespürt.

 

Du hast zuerst Kunst studiert, in Irland? Malerei oder freie Kunst?

Ich konnte wählen zwischen Keramik, Malerei, Drucktechniken, Mode usw. Ich habe mich dann für den Studiengang „Skulptur und kombinierte Medien“ entschieden. Dieses Fach hinterfragte den Kunstbegriff und probierte auch disziplinübergreifend zu arbeiten. Hier konnte man sehr viel seine eigenen Interessen einarbeiten und es sind wirklich spannende und teilweise sehr lustige Projekte bei mir und meinen Mitstudenten entstanden. Trotzdem fehlte etwas. Am allermeisten fehlte das Materialwissen. Das wurde nicht sehr intensiv vermittelt. Und ich empfand mich dort nicht so richtig zu Hause. Der Gedanke kam immer wieder, dass ich mich doch als Kind mit den Keramikern richtig zu Hause gefühlt hatte. Auch war ich schon so lange in Irland, zudem hatte ich nicht mehr das Gefühl gehabt, dass dort für mich eine spannende Zukunft wartete. Ich beschloss, dass in der Keramik für mich noch eine kleine Revolution wartet. Das wäre wohl am besten in Deutschland, weil hier im Endeffekt doch meine Wurzeln sind und ich die Mentalität verstehe. Damit wollte ich ja auch Geld verdienen und in Deutschland hatte ich da viel mehr Möglichkeiten. Die Keramikszene ist hier sehr vielfältig. Ich möchte aber an dieser Stelle den irischen Keramikern nichts aberkennen, da gibt es wirklich auch tolle Leute.

 

Hast du in Irland denn noch nichts mit Keramik gemacht? 

Doch ab und zu mal ein Praktikum … wie gesagt, ich war gedanklich noch mit anderen Sachen beschäftigt.

 

Wie lange warst du dort?

15 Jahre. Wenn, dann richtig (lacht).

Grit Uhlemann
Steinzeuggeschirr von Grit Uhlemann

Bist du dann direkt nach Höhr-Grenzhausen gegangen?

Nicht direkt. Es gab noch eine kurze Zwischenstation bei einem Freund in Leipzig. Dort habe ich aber nichts Keramisches gefunden. Ich hatte dann in Halle auf der Burg Giebichenstein (Kunsthochschule) mit jemandem gesprochen, der dort im Studiengang „Produktdesign/ Keramik- und Glasdesign“ arbeitet. Ich fand ihn und seine Assistentin zwar total nett, aber ich wusste, dass die konzeptionelle Arbeitsweise nicht so mein Ding ist. Generell arbeite ich sehr materialorientiert. Dort kamen wir schließlich darauf, dass die Fachschule in Höhr-Grenzhausen ja vielleicht was für mich wäre.

 

Das heißt, du hast dann keine klassische keramische Ausbildung gemacht?

Ich habe direkt die Fachschule gemacht und das Kunststudium war die Zugangsvoraussetzung.

 

Du machst unter anderem auch Geschirr. Hast du dir das selbst beigebracht?

Ich habe das Drehen in der Fachschule gelernt und es dann noch vertieft.

 

Fühlst du dich mehr als Keramikerin oder Künstlerin?

Als jemand, der das Material liebt.

 

Du fährst ja zweigleisig, auf der einen Seite die freieren Einzelstücke, die Lichtobjekte, auf der anderen Seite das klassische Geschirr. Wo liegt der Schwerpunkt deiner Arbeit?

Einzelstücke zu machen, ist natürlich spannend. Aber die Vermarktung ist schwieriger und geht vielleicht auch leichter, wenn man etwas mehr bekannt ist. Das heißt für mich in ein paar Jahren.

 

Das hat also auch einen pragmatischen Aspekt, davon leben zu können?

Ja, das war schon der Ansatz. Ich möchte doch in der Keramik ganz und gar dabei sein, eben wegen dieser Kindheitserfahrung mit der Freiheit. Man muss sich so komponieren, dass man da eine Resonanz spürt, sowohl bei mir als auch beim Besucher, Kursteilnehmer und Käufer, sodass meine Keramik und auch meine Kurse gewünscht sind, dass Leute sie spannend finden. Wie das gewichtet ist, bin ich kontinuierlich am Herausfinden. Dazu gehört der Aspekt, dass die Werkstatt lebendig bleibt, genug menschlicher Austausch stattfindet. Gleichzeitig will ich kontinuierlich am Lernen bleiben. Mir geht es viel darum, einen guten Mix aus vielen Komponenten zu finden.

 

Also viele Projekte gleichzeitig. Könnte es nicht auch sein, dass man da den Fokus verliert? Bzw. gibt man damit nicht auch eine gewisse Sicherheit auf?

Mit Sicherheit ja, auf der anderen Seite darf man nicht trocken und spröde in seinem Handeln werden. Während der Corona-Zeit war es schwierig, die Leuchtobjekte in Galerien zu präsentieren, dafür ist das Geschirr entstanden und die Glasurkurse liefen besser. Da hat man dann mehrere Standbeine, die sich auch an äußere Gegebenheiten anpassen können. Und wie gesagt, ich als noch jüngere Keramikerin (nicht altersmäßig gemeint…lacht) muss auch noch meinen Markt entdecken.

 

Was bildet den Schwerpunkt deiner Arbeit? Was ist dir besonders wichtig?

Zum einen ist es bei den Lichtobjekten das Spiel mit dem Licht, das Ambiente, was das in einem auslöst, wenn man in so einem Raum verweilt. Das sind eigentlich Erinnerungen an Irland. Ich versuche da meine Ideale, meine Erfahrungen und die Schönheit von Irland mitzuteilen.

Zum Geschirr, das Motiv der Karde, das war tatsächlich die Pflanze in meinem Studium. Wir mussten damals ein Motiv in verschiedenen Medien wie Textil, Druck, Fotografie usw. darstellen. Es hätte eigentlich ein Gemüse sein sollen. Ich habe dann aber diese Pflanze gesammelt und gedacht, da kannst du ein halbes Jahr mit verbringen (lacht). Letzten Herbst habe ich dann alle möglichen Pflanzen gesammelt und festgestellt, dass die Karde das beste Motiv ist.

 

Was verwendest du für eine Glasur? Seladon?

Nein, eine Oribe-Glasur. Diese keramische Technik ist in Japan entstanden. Stücke in dieser Technik bestehen immer aus einer Zeichnung meist mit Eisenoxid und eben dieser grünen transparenten Glasur. Ich hätte gerne mit Seladon gearbeitet, aber ich hatte keinen Holz- oder Gasofen. Monika Gass hatte mich dann auf die Idee mit der Oribe-Glasur gebracht. Die kann man auch im Elektroofen brennen. Mit Seladon arbeiten zudem schon so viele Leute und ich fand, dass das Grüne gut zu dem beigefarbenen Ton, der gerne auch rotorange „Bäckchen“ bekommt, passt. So ist das entstanden. Ich habe dann halt das Optimum aus der Glasur versucht herauszuholen, die optimale Farbe, keine Risse und Nadelstiche.

 

Das heißt, du hast die selbst entwickelt?

Ja, schon. Ich gebe ja auch Glasurkurse…. Und mag total gerne Glasurentwicklung…

Grit Uhlemann fertigt ihre Porzellanlandschaften
Grit Uhlemann fertigt ihre Porzellanlandschaften

Du hattest vorhin gesagt, dir sei es wichtig, dass alles im Fluss ist und die Werkstatt lebendig bleibt. Ist das für dich der Grund gewesen hier in die Werkstattgruppe zu gehen, anstatt dich allein selbstständig zu machen?

Ich habe in Irland so viel und so lange allein gelebt, wochen- und monatelang allein zu sein, brauche ich wirklich nicht nochmal. Ja und es war in der Ausbildung schon klar, dass ich in einer Werkstattgemeinschaft arbeiten will. Den Austausch finde ich toll.

 

Welche Arbeitsabschnitte haben für dich die größte Bedeutung?

Das sind mehrere Sachen. An der Drehscheibe zu sitzen, finde ich total schön. Mit so viel Ton in Kontakt zu sein, den zu steuern. Das immer wieder neue Komponieren der Porzellanoberflächen und die Überraschung, wie es dann mit Licht aussieht. Ich mag aber auch die Glasurentwicklung, das Analysieren und Verstehen, wie Rohstoffe reagieren.

 

Wie kam es dazu?

Ich glaube, das Interesse kommt von den Leuten damals, die mit Asche und Steinen im Keramikzirkel gearbeitet haben und meine Mutter, die immer nach Achaten im Fluss gesucht hat. Bei ihr war dieses Gefühl für Geologie schon immer drinnen. Ich finde es auch wirklich spannend, wie die eigenen Interessen sich entwickeln und was Eltern für Ideale an die Kinder weitergeben. In meinem Fall kann ich das sehr tief spüren, was Ihnen wichtig war. Mein Vater war für mich immer ein wandelndes Lexikon, der hatte echt für alles eine Antwort…(lacht).

Als wir dann aber mal im Labor waren und das erste Mal alles abgewogen haben, da dachte ich, Laborantin wirst du sicher nicht mehr [lacht]. Aber mit der Zeit habe ich verstanden, dass das Abwiegen nur die Hände machen und dass im Kopf dabei ganz viel passiert. Man geht eben bei der Laborarbeit innerlich die ganzen Reaktionen durch und ist mit den vergangenen Erfahrungen in Kontakt. Es ist eine spannende Kommunikation, die ich auch gern mit meinen Kursteilnehmern führe. Wir sehen die Proben, finden die Unterschiede, wie reagiert was miteinander und verstehen doch so wieder ein Stück mehr in der Geologie.

 

Was machst du nicht so gern?

Den Ofen zu setzen oder auch Glasur beim Glasieren abwischen, mag ich nicht so. Ich würde aber sagen, das ist Jammern auf hohem Niveau…(lacht).

 

Was ist dein wichtigstes Werkzeug? Welches nutzt du am häufigsten?

Gerade ist es die Glasplatte, der Spatel und die Waage.

 

Heißt das, dass du nach wie vor viel Zeit mit Glasurentwicklung verbringst? 

Im Moment ist das so. Ich habe da das Gefühl, dass ich den Leuten dort viel mitgeben kann. Das Auswendiglernen in der Schule, welche Stoffe sich wie verhalten, finde ich so absurd. Warum wird nicht viel mehr empirisch erarbeitet?

Grit Uhlemann beim Drehen
Grit Uhlemann beim Drehen

Welches Ziel verfolgst du mit der Glasurentwicklung?

Ich möchte, meinen Kursteilnehmern ein empirisch erarbeitetes Verständnis geben. Denn das werden sie behalten. Es sind ja ihre eigenen Erfahrungen. Ich gebe mittlerweile Kurse für Steinzeugglasuren im Elektroofen und Holzbrandofen, im Experimentieren mit Aschen, Lehmen und Gesteinen, sowie Raku und Steingutglasuren.

 

Bei wie viel Grad brennst du deine Keramik?

Das Geschirr bei 1260 °C und die Porzellanplatten bei 1240 °C. Das Porzellan ist Weichporzellan, das versintert früher….

 

Warum sollte jemand deine Keramik kaufen?

Die Porzellanleuchten geben ein sehr schönes Licht und sorgen für eine heimelige, wohnliche Atmosphäre. Das Geschirr ist urig. Beide spiegeln meine Liebe zur Natur wider und sollen ein gutes Lebensgefühl geben.

 

Was treibt dich zu neuen Ideen an?

Das Reisen. Unterwegs zu sein und neugierig jedem Tag neu begegnen.

 

Kannst du davon leben?

Ich lebe auf jeden Fall [lacht]. Ich bin jetzt erst etwas länger als ein Jahr so richtig im Business. Die Workshops sind auf jeden Fall ein gutes Standbein. Ich glaube, ich habe es nicht mehr weit dahin, dass ich gut davon leben kann. Jetzt haben wir ja Corona erstmal ein Stück hinter uns gelassen und ich habe wieder Ausstellungen, Märkte finden auch wieder statt.

 

Was macht für dich gute Keramik aus?

Authentizität. Es kommt aus dem Inneren. Das kann sehr individuell sein. Und diese Individualität spiegelt sich in der eigenen Entwicklung, der eigenen Werte wider. Formensprache, Zeichnung und Farbe, sowie die verwendete Brenntechnik sind für mich wichtige Faktoren.

 

Kannst du dir vorstellen, auch was anderes zu machen?

Ich bin doch gerade erst angekommen [lacht]? Naja, ich bin sehr glücklich darüber, dass ich hier zu Hause bin. Die Keramik bietet so viel Potenzial, man kann Menschen sehr viel mitgeben. Es gibt auch ein Gegenüber, dass das total schätzt. Meine Erfahrung mit Keramikern war als Kind und die ist es bis heute, dass sie sehr bodenständig und trotzdem kreativ sind.

Jedes Objekt wird sehr oft in den Händen gehalten.

Grit bemalt ihr Geschirr
Grit bemalt ihr Geschirr

Wo findet man deine Keramik?

In der Werkstatt. Im Großen und Ganzen sind wir von Montag bis Freitag da, wenn ich nicht gerade irgendwelche Kurse außerhalb gebe. Um sicherzugehen, dass ich da bin, sollte man besser vorher anrufen. Ansonsten bin ich noch nicht in permanenten Ausstellungen vertreten. Und Märkte mache ich im Moment nicht viele, da ich schon so viele Kurse gebe. In Höhr-Grenzhausen auf dem Markt bin ich aber auf alle Fälle.

 

Du arbeitest ja im Keramikverein „Kalkspatz“. Was machst du da?

Es ist ein Verein, den es schon über 30 Jahre gibt. Er hat sich damals aus unzufriedenen Lehrlingen gebildet, die gegen das sehr hierarchische Ausbildungssystem im Handwerk ankämpften. Sie waren für ein gemeinsames Lernen der Lehrenden und Lernenden. Viel hat sich inzwischen verändert. Gemeinsames Lernen und Arbeiten ist dennoch weiterhin wichtig.

Wir betreiben schon seit vielen Jahren das Kalkspatzforum, eine Plattform, wo man sich Ratschlag suchen kann und Anzeigen reinstellen kann. Das können Maschinen oder Material sein, was man sucht oder verkauft, sowie Stellenanzeigen.

Außerdem haben wir die Publikation „Töpferblatt“, da schreiben unsere Mitglieder Artikel, auch ich schreibe da gerne was, meist was materialtechnisches oder etwas was ich auf meinen Reisen gesehen habe und spannend fand.

Darüber hinaus haben wir auch ein umfassendes Kursprogramm und organisieren einmal im Jahr für die Mitglieder ein Pool-Working, wo wir gemeinsam arbeiten und voneinander lernen. Es gibt jedes Jahr ein Thema, dass sich die Mitglieder aussuchen.

Ansonsten organisieren wir im Moment das „Symposium pädagogische und therapeutische Möglichkeiten mit dem Material Ton“, wo vor allem die Pädagogen und Therapeuten sich mal treffen, „netzwerken“ können, sich über ihre Ideen und Einrichtungen austauschen können.

 

Was bedeutet der Standort Höhr-Grenzhausen für dich?

Ich fühle mich hier zuhause, auch in der Werkstattgemeinschaft. Ich schätze die Leute sehr und kann mich auf sie verlassen. Hier finde ich eine absolute Ehrlichkeit. Ich finde es auch schön, dass es drumherum noch eine weiter gefasste Werkstattgemeinschaft gibt und man nicht der einzige „Exot“ ist.

Außerdem gibt es hier auch viele KeramikerInnen mit einem umfassenden Materialwissen, die man direkt fragen kann, wenn man Hilfe braucht.

UND man hat in Höhr-Grenzhausen auch einfach das Gefühl, dass die Keramik lebt und dass es eine keramische Zukunft gibt.

 

Vielen Dank für das spannenden und unterhaltsame Gespräch, Grit.

Gerne doch.