Werkstattgespräch mit Claudia Henkel

Claudia Henkel arbeitet mit Porzellan, mit bestickten Stoffen, Spitzen und Gardinenstoffen dekoriert sie hauchdünn ausgewalzte Porzellanplatten, die sie dann liebevoll zu Bechern, Tassen, Schalen, Krügen und noch mehr zusammenbaut. So entstehen ganz spezielle individuelle hochwertige Einzelstücke, die sich perfekt in das Gesamtsortiment integrieren.

Wir haben Claudia in Ihrer Werkstatt besucht und im Gespräch einiges über sie erfahren.

Claudia Henkel
Claudia Henkel © Janos Wlachopulos

Claudia Henkel in ihrer Werkstatt.

Du lebst und arbeitest seit 1998 in Höhr-Grenzhausen, was hat dich dazu bewegt hierher zu kommen und auch hier zu bleiben?

Ja ich denke, wie die meisten Keramiker hier, die Fachschule. Ich bin hier zur Fachschule gegangen. Erst fand ich es ganz schrecklich in Höhr-Grenzhausen und bin am Wochenende immer nach Hause gefahren. Aber der Armin Skirde hat mir dann prognostiziert: Du wirst hier bleiben.

 

Warum war es erst schrecklich?

Damals war Höhr-Grenzhausen noch anders. Ich komme aus der Großstadt Essen und da war so ein kleiner Ort schon ein echter Kulturschock. Es war trist und trüb für mich. Erst als ich mich hier mit den ganzen Keramikern eingelebt hatte und in der Szene ein bisschen drin war, da war ich dann. Also Zuhause bin ich hier immer noch nicht wirklich, aber es ist gut.

 

Findest du es denn mittlerweile immer noch trist?

Ich finde, Höhr-Grenzhausen hat eine Schwere. Mir fehlt hier ganz oft die Leichtigkeit, sowas wie in Frankreich. Einfach ein bisschen, ja Nonchalance oder keine Ahnung. Die Menschen sind auch manchmal so pampig. Vielleicht macht’s auch der Dialekt? Keine Ahnung. Vieles ist aber auch einfach hier. Eben, weil so viele Keramiker da sind. Am Anfang habe ich hier ganz viel Rückhalt bekommen. Gerade der Fritz, der hat mir so geholfen mich auch in meiner Selbstständigkeit zu finden. Ich durfte bei ihm brennen und er hat mich alleine seinen Ofen brennen lassen, solche Dinge sind toll, dass so viel Vertrauen da ist und so. Damals habe ich das gar nicht so empfunden, aber heute denke ich: „Wow! Schöne Zeit gewesen.“

 

Also verstehe ich das richtig, du wärst wahrscheinlich ohne die Keramik nicht nach Höhr- Grenzhausen gekommen?
Nein. Sicherlich nicht

Porzellanweiß und Seladongrün sind die zwei von Claudia Henkel bevorzugten Glasurfarben für die Gefäße

Claudia Henkel
Claudia Henkel - © Janos Wlachopulos

Wann bist du denn das erste Mal mit Keramik in Berührung gekommen?

Ach schon früh, relativ früh. Ich habe mit meiner Mutter Töpferkurse gemacht. Ich habe aber erst was ganz anderes studiert und dachte immer ich müsste das alles zu Ende machen, also fertig studieren. Während des Studiums habe ich aber schon immer gewusst: eigentlich willst du das gar nicht machen. Ich habe Kunstgeschichte, Germanistik und Theater-Film und Fernsehwissenschaften studiert. Aber ich bin einfach keine Akademikerin. Ich muss am Ende des Tages sehen, was ich geschafft habe.
Nach dem Studium habe ich dann erstmal ein Praktikum in einer keramischen Werkstatt gemacht. Magaretenhöhe in Essen. Ein halbes Jahr oder so und danach habe ich die Lehre in Bochum gemacht.

Ja dann erübrigt sich natürlich die Frage wo du deine Ausbildung gemacht hast?

Ja, Bochum, bei Roger Zumpfe

 

Was war das für ein Betrieb?

Ein ganz kleiner, Ein-Mann-Betrieb. Das war auf einem Waldorfgelände mit einem Waldorfkindergarten. Er war auch Waldorflehrer, also hatte ich immer kleine Kinder um meine Töpferscheibe herum. Und ja, wir fertigten ganz traditionelle Töpferware, mit einer einfachen blauen Pinselmalerei.

 

Welchen Beruf hättest du denn gewählt, wenn es den Beruf Keramikerin nicht geben würde?

Ach, ich wollte so vieles werden, irgendwann mal. Ich wollte Restauratorin werden, ich wollte Tänzerin werden, Schauspielerin, also ich habe immer tausend Berufswünsche gehabt.

 

Aber schon etwas Kreatives, oder?

Ja, immer was Kreatives. Im Nachhinein hätte ich mir aber auch gut Gärtnerin oder … Ja, Gärtnerin hätte ich mir gut vorstellen können. Ich bin gerne in meinem Garten.

 

Das ist ja auch kreativ

Ja

 

Was macht denn deine Arbeiten besonders?

Ich glaube, so arbeitet keiner. Also aus Porzellan Geschirr bauen, das machen, glaube ich, nicht so viele, weil das auch recht zeitaufwendig ist. Dadurch ist aber auch jedes Stück ein Einzelstück. Anders geht das gar nicht. Ich kann zwar seriell arbeiten, aber trotzdem wird jedes Gefäß unterschiedlich. Das Material verhält sich einfach wie es sich verhält und auf manche Sachen habe ich auch gar keinen Einfluss.

 

Das macht es natürlich sehr besonders …
Ja, genau.

© Janos Wlachopulos

Claudia Henkel arbeitet an ihren Tassen und Bechern in ihrer Werkstatt.

Du arbeitest ja hin und wieder auch mit Schwarzbrand?

Das mache ich gar nicht mehr. Also die schwarzen Arbeiten, wie Teller und Platten, sind inzwischen einfach aus schwarzer Masse gefertigt.

Aber das hast du gemacht.

Das habe ich lange gemacht. Ich habe das dann im Rakuofen gebrannt, in Kapseln. Das ist unglaublich aufwendig. Inzwischen bin ich in so einem Alter, in welchem es immer einfacher werden muss. Manches geht einfach nicht mehr. Ich versuche das Arbeiten immer simpler zu machen, ohne dass die Keramik was verliert.

 

Was macht denn das Porzellan so besonders?

Das ist einfach die Materialqualität. Dieses durchscheinende und dieses Zarte. Ja, zart kann man es bearbeiten, muss man zwar nicht, aber ich arbeite relativ zart damit. Das hat für mich sowas Feenhaftes, Elfenhaftes. Das hat eine Seele, die durch das durchscheinende irgendwie schimmert. Sowas wie Gefühl.

 

Warum machst du denn Geschirr?

Das wollte ich immer schon machen.

Immer schon?

Immer. Das war von Anfang an klar. Ich wollte einfach schönes Geschirr machen. Auch, weil das so elementar ist. Ich meine, wir essen von bezaubernden Tellern und trinken aus schönen Tassen. Das hat so einen starken Bezug zum Menschen und deswegen wollte ich ansprechendes, schönes Geschirr machen. Ich glaube, das macht einfach was mit einem, wenn man den Dingen so einen Wert beimisst. Gerade auch beim Essen, das womöglich schön angerichtet ist. Das ist halt keine Nebensache, sondern es ist ganz wichtig, sich mit schönen Dingen zu umgeben. Einfach, für die Seele ist das wichtig.

 

Was ist denn dein Lieblingswerkzeug?

Das kann ich dir gerade zeigen (Steht auf und geht zur Werkbank, nimmt eine kleine Metallwalze und eine Holzwalze in die Hand). Das ist eigentlich das hier. Diese beiden. Das ist das, womit ich die Dekore in die Oberfläche einpräge. Ich lege den Stoff einfach auf die Fläche und präge dann mit diesen Rollen oder Walzen den Dekor ein. Das ist mein Lieblingswerkzeug. Das doofste ist die Nudelrolle, das Arbeiten mit der Nudelrolle beansprucht ziemlich die Gelenke. Ich muss halt alles auswalzen, aber ja, muss halt sein.

 

Sind das denn auch die Werkzeuge, die du am häufigsten benutzt?

Ja, neben Messern und so einer Zierklinge zum Glätten, noch so ein Stockschwamm, Schwämme und Löffel, Gabeln, sowas.

© Janos Wlachopulos

Claudia glasiert Ihre Stücke

Welchen Arbeitsschritt machst du denn am liebsten?

Das ist das Bauen. Dekorieren und Bauen, also ich dekoriere erst und dann baue ich. Das Henkeln mag ich gar nicht. Tatsächlich, obwohl ich so heiße.

Stimmt, du heißt ja so, …

Aber ich mache es wirklich trotzdem nicht gerne.

Wieso?

Weil es einfach so unglaublich viel Arbeit macht. Man muss die Henkel vorbereiten, in Form bringen, angarnieren und versäubern. Das ist einfach sehr langwierig und man kann trotzdem nicht so furchtbar viel mehr dafür nehmen. Der Kunde sieht ja nicht, dass das so ein zeitraubender Arbeitsschritt ist. Dekorieren geht total schnell und bauen ist zwar nicht so schnell, aber vollkommen in Ordnung, da sieht man trotzdem, dass es vorangeht, dass man was schafft.

 

Meine nächste Frage wäre gewesen was machst du nicht so gerne aber das hast du mir ja gerade schon verraten.
Bei wie viel Grad brennst du?

1.280 Grad im Gasofen, reduzierend.

Ok. Das kann man ganz kurz und knapp beantworten.

Ja das stimmt.

 

Was treibt dich zu neuen Ideen an?

Ja die Langeweile ganz oft. Serielles Arbeiten wird ja manchmal langweilig und eigentlich würde ich immer ganz gerne neu entwickeln und gar nicht mein Geschirr fertigen. Also ja, das drängt mich. Das Material führt einen immer zu neuen Ideen, weil das so viel kann. Das Material hat so viele Eigenschaften, die es einem anbietet, man muss nur gucken, sie aufnehmen und weiterentwickeln. Wenn man beispielsweise Schlicker auf eine Gipsplatte siebt, dann entstehen sehr schöne Strukturen, die könnte sich der Verstand gar nicht ausdenken. Diese habe ich dann genommen und auf Gefäße garniert. So sind wunderschöne, außergewöhnliche Vasen entstanden.

 

Tauschst du dich auch gerne aus?

Ja, das wohl auch. Aber es entsteht im Machen so viel. Das Material, es führt einen von einem Schritt zum anderen. Und jede Hand arbeitet anders. Ich kann auch gar nicht verstehen, warum manche Kollegen so ein Geheimnis um ihre Fertigung machen. Wenn ich eine Technik verwende, die ein Kollege entwickelt hat, kann das Ergebnis dennoch komplett anders aussehen. Kopieren, geht natürlich nicht.

 

Das hört sich ja so an, als hättest du dein Zuhause im Material gefunden?

Ja, schon.

Claudia bearbeitet ihre hauchzart und durchscheinenden Tassen und Becher.

© Janos Wlachopulos

Verfolgst du denn ein bestimmtes Ziel?

(Stille) … Keramiken fertigen ist ja so ein periodisches Arbeiten. Man fängt an mit der Formgebung und mit dem Versäubern und dann kommt das Dekorieren bzw. das Glasieren oder die Farbgebung, je nachdem. Danach das Brennen und dann fängt man immer von vorne an. Das Ziel ist eigentlich immer wieder von vorne anzufangen. Also das ist … ? Nein, eigentlich habe ich keine Ziele, wie dass ich mal eine berühmte Keramikerin werden muss – ich bin auch nicht ehrgeizig. Die Struktur gibt einfach vor, was man macht. Es fängt an mit der Planung des Jahres an, welche Märkte macht man und wann man welche Ware braucht. Direkte Ziele, die ich direkt verfolge, gibt es wohl nicht. Eigentlich eine ganz organische Lebensart.

 

Da du gerade schon von den Märkten gesprochen hast, wo findet man deine Keramik? Dann wahrscheinlich meist auf den Märkten?

Genau! Hauptsächlich verkaufe ich über Märkte, aber auch hier bei mir im Laden kann man mich finden. Ich habe keine geregelten Öffnungszeiten, aber wenn ich arbeite, bin ich da und es ist geöffnet. Meine Telefonnummer hängt an der Tür, falls ich nicht da sein sollte. Dann einfach anrufen und es gibt auch noch ein paar Läden, die ich beliefere. Aber ich würde halt lieber selber verkaufen.

 

Dann macht dir bestimmt auch der Kontakt mit den Kunden Spaß?

Ja, weil sie mich auch manchmal zu neuen Ideen anregen. Dann fragen sie, warum macht man denn das so oder so und dann fragt man sich, warum eigentlich? Die Fragen sind manchmal gar nicht mal so doof.

 

Kannst du von der Keramik leben?

Ja, inzwischen, seitdem ich dieses Sortiment hier mache. Vorher habe ich ja gedreht und mehr dieses Design mäßige Schwarz-Weiß-Sortiment gemacht. Das war deutlich schwieriger zu verkaufen, als das aktuelle Programm. Die Leute brauchen Dekor, sie brauchen Farbe, das ist einfach so. Dann ist es einfacher. Und die Zeit hat sich, glaube ich, inzwischen auch gewandelt. Es geht ja vieles in die Richtung Nachhaltigkeit und das merkt man gerade.

 

Keramikerin ist ja auch ein nachhaltiger Beruf?

Also ein bisschen habe ich auch ein schlechtes Gewissen, mit dem ganzen CO2, was ich in die Luft blase, mit meinem Gas und reduzierender Atmosphäre und das dann halt nur für schöne Sachen. Wo ich dann auch tatsächlich im Moment darüber nachdenke, vielleicht umzustellen. Es gibt Massen aus Sekundärrohstoffen, die also nicht extra abgebaut werden, sondern die in der Industrie anfallen und die man eben für die Keramik wiederverwenden kann. Die gibt es tatsächlich inzwischen und es gibt niedrig brennende Massen, also da denke ich tatsächlich gerade darüber nach.

 

Also ist das jetzt eine neue Idee von dir?

Ja, so aus der Not heraus, eigentlich nicht aus der Not, aus der Notwendigkeit heraus geboren, dass man was verändern muss. Es geht so alles nicht weiter.

 

Was macht denn gute Keramik für dich aus?

Das lässt sich schlecht beschreiben. Das ist ein Gefühl, was man hat, wenn man es anfasst. Dass die einen berührt. Die Keramik muss nicht perfekt sein, also es ist mit Sicherheit nicht die Perfektion. Man sollte etwas spüren, vielleicht die Seele darin oder die Geschichte oder irgendwas, was einen anspringt. Das ist aber ganz schlecht zu beschreiben und für jeden ist es, glaube ich, auch was anderes.

 

Dann habe ich jetzt noch eine letzte Frage für dich: Was bedeutet denn der Standort Höhr-Grenzhausen für dich?

Das ist ein kleines Wunder, was es hier alles so gibt an gesammeltem Know-how und gesammelten tollen Keramiken und die Möglichkeiten, die man hier hat, die ich auch damals in der Ausbildung hier hatte. Das ist schon echt sehr, sehr einzigartig. Deswegen haben wir ja auch so viele tolle Keramiker hier vor Ort. Die sind wirklich alle durch eine gute Schule gegangen und ja es ist schon wirklich besonders, eigentlich müsste dies auch viel mehr von außen gewürdigt werden. Viel mehr Leute müssten es kennen und auch hier herkommen.

 

Vielen Dank für das schöne Gespräch, Claudia.