16. Dezember 2023| WERKSTATT­­GESPRÄCHE, KERAMIK

Werkstattgespräch mit Martin Goerg

Martin Goerg beschäftigt sich mit Gefäßformen sowohl im funktionalen, als auch im skulpturalen Kontext. Seine Arbeiten erhalten im Salzbrand ihre lebendig, vom Feuer gekennzeichneten Oberflächen. Wir haben uns zum Werkstattgespräch mit Martin Goerg in seinem Atelier in Höhr-Grenzhausen getroffen und über ihn und seine Keramik gesprochen.

Martin Goerg - Höhr Grenzhausen
Martin Goerg

Martin Goerg in seiner Werkstatt.

Hallo Martin, jetzt sind wir zum zweiten Mal hier, die erste Audio-Aufnahme des Interviews hat ja leider nicht funktioniert, ärgerlich, die Aufnahme war einfach leer, aber was soll’s. Wir sitzen in deiner tollen Werkstatt mit Blick über den Westerwald. Sehr schön!

Du bist aus der Szene hier in Höhr-Grenzhausen nicht wegzudenken. Du bist doch eine Art Urgestein, die Keramikgruppe und alles drumherum, hast du ja mit gegründet und aufgebaut. Erzähl doch mal was dazu? Seit wann gibt es das Ganze hier usw.?
Ja, also die Keramikgruppe Grenzhausen, unsere Werkstattgemeinschaft, die gibt es seit über 30 Jahren. Ich hatte mich 1990 in Höhr-Grenzhausen mit meiner eigenen Werkstatt selbstständig gemacht. Das war in einer kleinen Werkstatt in Höhr, die wir zu zweit gemietet hatten. Aber der Mietvertrag war nur auf drei Jahre befristet, sodass ich was Neues suchte und wir haben 1992 zu fünft praktisch hier die Gemeinschaftswerkstatt gegründet.

30 Jahre schon, klasse. Fangen wir zuerst aber mal ganz vorne an. Du selbst kommst von hier oder bist du auch durch die Keramik erst mal hierhergezogen?
Ich bin der Einzige hier aus der Werkstattgemeinschaft, der aus der Region ist, ich bin in Montabaur aufgewachsen und habe meine Lehre hier in Höhr-Grenzhausen gemacht, als ich 18 Jahre alt war.

Das wäre meine nächste Frage gewesen, wie war dein Werdegang zur Keramik?
Kontakt zur Keramik hatte ich schon im Kindesalter. Ich komme aus einer Familie, die im Tonbergbau tätig ist. Mein Großvater hat mit einem Kompagnon eine Tonbergbau-Firma gegründet und die hat mein Vater weitergeführt. Von daher war Ton immer schon wichtig für die Familie. Mein Vater hat sich zudem sehr für die Keramik interessiert. Wir hatten das ganze Haus voller Keramik. Er ist dann immer mal wieder nach Höhr-Grenzhausen, um die Keramikwerkstätten zu besuchen. Das Museum gab’s noch nicht, aber es gab schon hin und wieder Ausstellungen. Da bin ich dann auch immer gerne mit hin. Keramik war also immer schon ein Thema. Dann kommt noch dazu, dass mein Patenonkel auch Keramiker war. Er hatte in Bayern eine kleine Werkstatt, in der er Irdenware hergestellt hat. Dort bin ich in den Sommerferien öfters gerne hin. Ich denke, mit ihm habe ich dann so richtig Feuer gefangen. Ich bin sehr gerne mit ihm in die Werkstatt gegangen und habe da angefangen erste Dinge zu formen oder auch einfach nur ihm bei der Arbeit geholfen.

Ja, sehr schön, dann kommst du wirklich aus einer Keramikfamilie?
Nicht so direkt, sprich mit Ton schon, der Tonabbau eben. Als Jugendlicher war es für mich dann auch schon relativ früh klar, als ich in der Schule war, dass ich da schon was mit machen wollte und habe dann nach der zehnten Klasse im Gymnasium aufgehört und die Lehre gemacht.

Genau da können wir jetzt anknüpfen, also du hast dann deine Lehre gemacht, wo denn, bei wem genau?
Das war in der Werkstatt Elfriede Balzar-Kopp, eine der ganz wichtigen Werkstätten hier für den Ort. Ähnlich wie die Werkstatt Mühlendyck, die auch in den dreißiger Jahren gegründet wurde, haben diese Werkstätten praktisch aufbauend auf die Tradition eine eher zeitgenössische Keramik gemacht, würde ich mal so sagen, also sie hatten mit ihrem traditionellen Salzbrand schon eine ganz eigene Formsprache entwickelt.

Bist du nach der Lehre im Betrieb geblieben, hast du noch als Geselle gearbeitet oder hast du dich direkt fortgebildet?
Nach der Lehre kam erst mal mein Zivildienst, der ging damals noch 18 Monate. Also ich war erst mal ziemlich raus aus der Keramik und hab mich dann aber schon während des Zivildiensts für die Fachschule für Keramikgestaltung beworben und dann auch einen Platz bekommen. Das Problem war nur, dass meine Zeit im Zivildienst bis Oktober ging, und ich konnte in diesem Schuljahr noch nicht an die Schule. Da war nichts möglich, auch Urlaub zusammensparen ging nicht. So hatte ich dann von November bis zum Sommer, also zum Schulanfang noch mal Zeit. Mein Plan war dann eigentlich als Geselle zu arbeiten. Ich bin dann drei Tage durch Bayern gereist und habe mich in verschiedenen baukeramischen Betrieben vorgestellt, aber die suchten immer nur jemanden für die Drehscheibe und ich wollte aber mal was anderes machen. Dann habe ich mich umentschieden, habe erst mal bisschen gejobbt, um Geld zu verdienen und dann bin ich für ein halbes Jahr nach Lateinamerika gereist. Das war natürlich eine sehr eindrückliche Reise und ich habe da auch viel von deren Keramik gesehen.

Martin Goerg - Höhr-Grenzhausen

Ach, du warst in Lateinamerika und konntest du spanisch?
Nein, das war ja eine ziemlich kurzfristige Entscheidung. Ich bin da noch vielleicht zwei oder drei Abende in die Volkshochschule gegangen und habe dann allein mit dem Anfängerbuch selbst weitergemacht. Wenn man dann allein unterwegs ist, muss man sich ja verständigen und so bin ich mit der Zeit da reingekommen. Jetzt bin ich seit fünf Jahren aber wieder im Spanischkurs, weil ich die Sprache so mag.

Okay, wie alt warst du da?
Damals war ich 22 / 23. Aber es war klar, dass ich dann im Sommer eigentlich meine Fachschulzeit starten konnte und so war ich dann pünktlich wieder zurück und habe 1985-88 die Fachschule für Keramikgestaltung besucht.

Und in welchen Ländern warst du da? War das eine Art Work & Travel, hast du gejobbt oder war das einfach nur eine Auszeit?
Lateinamerika war damals noch sehr günstig, ich hatte mir vorher schon das Geld dafür zusammengespart, bin in die USA geflogen und bin dann auf dem Landweg über Mexiko und Mittelamerika bis nach Panama und dann noch rüber nach Ecuador und dann über Kolumbien wieder in die USA und nach Hause geflogen, ja war sehr spannend.

Und dann zurück nach Höhr-Grenzhausen, wie war’s dann in der Fachschule?
Ja dann wieder nach Höhr-Grenzhausen, die Fachschule und die ganzen Leute hier, das war natürlich eine ganz andere Welt als vorher die Lehrwerkstatt. Die Leute kamen aus unterschiedlichen Ecken. Die Ausbildung war offener und ganz was ganz anderes als vorher die traditionelle Keramik. In der Schule wurde sehr umfassend unterrichtet, alle keramischen Techniken und Theorie.
Sehr prägend für mich war eigentlich auch unsere Abschlussfahrt, die wir schon im vierten Semester mit unserem Lehrer Wolf Matthes machen konnten. Es ging nach Dänemark und der Keramiker Aage Birck hatte uns gute Kontakte zu Schulen und Werkstätten vermittelt. Wir hatten wirklich einen tollen Einblick in die dänische Keramik und das war für mich schon sehr prägend. Ich kann mich sehr gut an eine Ausstellung in Kopenhagen von Ivan Weiss erinnern, der für Royal Kopenhagen arbeitete. Er machte tolle große Gefäße und das hat mich zum Beispiel damals inspiriert für das Thema meiner Abschlussarbeit: „Große Gefäße im Salzbrand“.
Also dann doch wieder Salzbrand, den ich eigentlich nach der Lehre erst mal sein lassen wollte, da mir das eigentlich zu eintönig war. Aber an der Fachschule bin ich da wieder reingekommen. Ich wurde auch zusätzlich von einer internationalen Salzbrandausstellung der Handwerkskammer in Koblenz inspiriert, wo ich gesehen hab, dass da Engländer oder Amerikaner ganz anders mit dem Salzbrand umgehen und es andere Möglichkeiten gibt. Ich habe dann alles Mögliche ausprobiert und mit verschiedenen Oberflächenfarben experimentiert. An der Schule erarbeitete ich mir dann eine gute Grundlage mit den unterschiedlichsten Arten von Oberflächen und Farbigkeiten.

Dänemark, hat dich auch das dänische Design beeinflusst?
Mir gefällt die klare Formsprache. Zurzeit arbeite ich viel mit ovalen Formen und ich war gerade im Sommer in Dänemark in einem Keramikmuseum und dann habe ich wieder gesehen, dass das zum Beispiel dort ein großes Thema ist. Da gibt es schon Verbindungen.

Ja, stimmt, du reist auch immer noch gerne nach Dänemark. Hat das noch mit dem Ausflug von der Fachschule zu tun, sodass du eine Liebe zu Dänemark entwickelt hast?
Das war jetzt eher zufällig, eigentlich bin ich nach meiner Lateinamerika-Reise irgendwie noch in der ganzen Welt unterwegs gewesen. Mit Familie war das dann schwieriger, aber an sich reise ich gerne, bin gerne in anderen Ländern unterwegs.

Martin Goerg - Höhr-Grenzhausen

Martin Goerg beim Aufbauen der Formen.

Gut – Zurück zur Fachschule, wie ging’s denn dann weiter?
Mit dem Abschluss als Keramikgestalter an der Fachschule habe ich praktisch fast parallel auch die Meisterprüfung dort abgelegt. Ich konnte die Meisterkurse noch in der letzten Zeit an der Fachschule mit besuchen und anschließend noch mein Meisterstück an der Schule machen. So hatte ich dann direkt den Meister in der Tasche und hatte dann auch praktisch sofort im Anschluss eine Stelle als Meister in einer Kachelofenwerkstatt in Mainz. Die haben handwerklich, Ende der achtziger Jahre so postmoderne Kachelöfen gebaut. Bei Tonart habe ich dann zehn Monate gearbeitet. Da habe ich dann mal richtig Erfahrungen gesammelt, wie in einem Betrieb mit Baukeramik gearbeitet wird. Nach der Zeit in Mainz bin ich anschließend noch mal für ein Vierteljahr nach Niederösterreich in die Werkstatt von Stefan Emmelmann, der damals mit dem Salzbrand in Holzöfen gearbeitet hatte. Dort konnte ich mitarbeiten und da habe ich Erfahrungen mit dem Holzbrand gemacht. Auch wie er Farbigkeit mit dem Holzbrand und Salzbrand kombiniert hat, das war für mich neu. Er hatte damals auch Kachelöfen gemacht. So konnte ich unterschiedliche Werkstatterfahrungen machen, bevor ich mich dann 1990 zusammen mit einer Freundin in der Bergstraße in Höhr in einer kleinen Werkstatt selbständig gemacht habe. Die Werkstatt gehörte damals unserem ehemaligen Lehrer Wolf Matthes, er arbeitete dort aber nicht mehr, und so konnten wir diese mieten.

Dann ging es 1990 mit der Selbstständigkeit los und wie ging das damals? Was hattet ihr da gemacht? Ging es dann direkt zu Märkten oder wie war die Perspektive zu der Zeit?
Ja genau, also ich wollte zum einen mit meinen eigenen künstlerischen Arbeiten dann mal so richtig loslegen, die ich praktisch nach der Fachschule nicht mehr machen konnte. Da es mit den freieren Arbeiten schwieriger ist Geld zu verdienen und weil es auch relativ schnell geht, habe ich dann auch angefangen Gebrauchsgeschirr zu machen. Man fährt auf die Märkte und hat dann praktisch sofort Umsatz und so fing es an, dass ich praktisch zweigleisig gefahren bin, einmal meine Einzelstücke, meine künstlerische Arbeit und auf der anderen Seite die Gebrauchskeramik.

Du sprichst es nun selbst an, siehst du dich eher als Künstler oder Handwerker?
Ich mache da eigentlich keinen Unterschied. Bei mir gibt es schon immer die künstlerische Keramik und die Gebrauchskeramik, mich begleitet demnach beides. Das ist für mich aber auch kein Hindernis. Ich kann das beides gleichzeitig machen, setze zum Teil die gleichen Kriterien an meine Arbeit.

Gibt’s sonst noch was Besonderes bei deiner Anfangszeit?
Mit dem Beginn in der eigenen Werkstatt habe ich mir den Brennofen selbst gebaut und habe mir auch seitdem praktisch meine ganzen Oberflächen zusammen mit dem Ofen, der sehr speziell brennt, entwickelt. Ich praktiziere nicht den traditionellen Salzbrand, bei dem das Salz durch die Decke gestreut wird, sondern ich sprühe eine Sodalösung in den Ofen und da werden die Oberflächen etwas anders. Mit dem Soda vermeide ich den giftigen Salzsäuredampf. Ich konnte damit aber auch eine ganz eigene Sprache in der Oberfläche finden, die sich seitdem aber immer wieder weiter entwickelt, genauso wie sich auch formal meine Arbeiten immer wieder aufbauend weiterentwickeln.

Sehr, sehr spannend, d.h. du bist auch noch Techniker, du baust große Kunstobjekte und machst Gebrauchskeramik, in dir steckt ein Multitalent?
Das finde ich ja so spannend an dem Ganzen, das ist so vielseitig und ich liebe diese unterschiedlichen Herausforderungen. Man muss auch diese technischen Sachen beherrschen. Dieses Vielseitige, das ist das, was die Keramik so interessant macht. Du musst dich mit den unterschiedlichsten Bereichen befassen. Das wird nie langweilig.

Sehr schön. Ja und wie ging’s dann weiter in der Bergstraße? Du hast dann gearbeitet, deine großen Objekte gemacht und die Gebrauchskeramik für Märkte, wie bist du dann hier in die Brunnenstraße gekommen?
Es war schon klar, dass der Mietvertrag in der Bergstraße nur auf drei Jahre beschränkt war. Kurz vor Ende habe ich mich auf die Suche gemacht. Mit Fritz Rossmann, er hatte in Hillscheid in einem alten Fabrikgelände gearbeitet, die auch aufgelöst werden sollte, haben wir dann zusammen nach Werkstätten gesucht. Zwei Freunde von uns, die am Institut ihren Abschluss gemacht hatten, suchten auch eine Werkstatt und Susanne Altzweig hatte auch nur eine kleine Übergangswerkstatt, sodass wir dann zu fünft neue Werkstatträume gesucht haben. Wir haben dann diese alte Manufaktur hier gefunden, die ideal für uns war.

Martin Goerg - Höhr-Grenzhausen

Ihr seid dann immer noch hier an diesem Ort?
Genau, wir haben dann einen Teil der Merkelbach-Manufaktur hier in der Brunnenstraße gemietet. Wir konnten einiges herrichten und umbauen. Jeder hat einen eigenen Atelierbereich und wir haben einen gemeinsamen Ofenraum geschaffen, in dem jeder seine Öfen platzierte, die ja wegen der unterschiedlichen Arbeitsweisen auch verschieden waren. Nach einem Jahr kam noch Monika Debus mit in die Werkstattgemeinschaft, sodass wir dann zu sechst waren.

Das natürlich toll, mit vielen Keramikern direkt an einem Ort zu sein, mit gemeinsamem Ofenraum, man kann sich gegenseitig auszutauschen. Super, alles individuelle Werkstätten, aber trotzdem eine Gemeinschaft.
Ja genau, das war wirklich das, was wir uns immer gewünscht hatten. Jeder hat genug Raum hier gehabt, um seine eigenen Keramiken zu fertigen. Jeder hat seine eigene Werkstatt, aber hat trotzdem die Gemeinschaft. Bei Problemen kann man sich gegenseitig helfen. Wir hatten dann auch hier unseren großzügigen Ausstellungsraum und haben dann Werkstattausstellungen gemacht. Das war damals so ungewöhnlich, weil die Westerwälder, das kenne ich noch aus der Lehre, die haben eher so für sich und abgeschottet gearbeitet und keiner lässt dem andern in die Karten gucken. Aber wir haben’s halt ganz anders gemacht und es war wirklich auch schön für die Leute, wenn die dann zu uns reinkommen, und diese Vielfalt und Möglichkeiten sehen. Und jeder konnte für sich was finden

Das war alles schon vor 30 Jahren?
Genau, das war am Anfang auch nicht immer einfach, weil auch viel diskutiert wurde. Nicht jeder hatte gleiche Vorstellungen, das hat viel Energie gekostet. Auch in die Gemeinschaft selbst muss man natürlich Zeit investieren. Und nun hat sich das Ganze jetzt doch schon über 30 Jahre gehalten. Die Konstellation hat sich verändert. Zwei sind dann rausgegangen, weil sie eine Familie gründeten und dann doch andere Einkommen brauchten, und leider ist Fritz Rossmann auch inzwischen viel zu früh gestorben. Wir sind jetzt zu dritt in der Keramikgruppe, Monika Debus, Susanne Altzweig und ich.

Also damals zur Miete, aber inzwischen hat sich auch doch einiges verändert?
Ja, Teile der Merkelbach-Manufaktur konnten gemeinschaftlich gekauft werden, die ersten drei Jahre hatten wir gemietet und dann haben wir den von uns genutzten Teil zum Kauf angeboten bekommen.  Dann hat sich das auch noch weiter verändert. Es gab auch weiter drumherum viel Platz und so konnten sich noch einige weitere Keramiker mit auf dem Hof ansiedeln. So hat sich die untere Brunnenstraße mit den verschiedenen Werkstätten mit der Zeit sehr verändert und den Ort dahingehend schon sehr geprägt.

Das hört sich ja so an, dass du dich hier absolut wohlfühlst? Du kommst ja auch hier aus der Ecke. Für dich war immer klar, hier zu bleiben? Viele andere Keramiker haben mir gesagt, oje Höhr-Grenzhausen, wie schrecklich, sind dann aber doch hier geblieben?
Das hat sich einfach so ergeben, geplant war das so nicht direkt. Aber so wie ich jetzt hier leben und auch hier arbeiten kann, ist das ideal und warum sollte ich das aufgeben.

Martin Goerg - Höhr Grenzhausen

Sag mal, woran arbeitest du den gerade hier, wovon wir die Fotos schießen?
Im Moment arbeite ich gerade an einem Auftrag für einen Kachelofen.

Dann wollen wir noch ein Stück weiter auf deine Arbeit eingehen, du hast von den großen künstlerischen Arbeiten erzählt, davon stehen auch viele hier herum, ich sehe diese tollen Oberflächen. Was ist denn so das wichtigste deiner Arbeit, was machst du gerne, was machst du nicht so gerne?
Was ich sehr gerne mache sind die großformatigen Arbeiten, also da hängt nach wie vor mein Herz dran. Ich baue große Gefäße auf, aber auch große Objekte. Mir geht’s um die Dreidimensionalität, das Innen und Außen ist mir wichtig, das Offene oder Geschlossene, das sind die Themen, die mich interessieren.

Und was machst du nicht so gerne?
Der Kontrast dazu, also wenn es dann zu kleinteilig wird. Das ist das, was ich nicht so gerne mag. Also jetzt zum Beispiel kleine Espressotassen mit Untertassen ist sowas, was ich nicht so gerne mache. Aber wenn es ab und zu mal ansteht, ist das auch ok.

Mit den großen Objekten, hast du da auch ein Ziel oder anderes gefragt, was ist dein Ziel, verfolgst du irgendwas?
Es geht einfach immer weiter, das eine baut auf dem anderen auf, auf der Suche nach dem idealen Stück. Das geht dann Schritt für Schritt. Wenn ein Stück fertig ist, kommen dann auch wieder neue Ideen, was beim nächsten Mal vielleicht anders gemacht werden kann.

Der Weg ist das Ziel?
Der Weg ist das Ziel, richtig! Und ähnlich ist es auch mit den Oberflächen, es kommen immer neue Ideen für das nächste Objekt.

D.h. die Tasse, die jetzt in der Hand habe, die kann in ein paar Jahren wieder eine ganz andere Oberfläche oder Form haben?
Ja, da lege ich mich nicht fest, ich bin da wirklich im Moment. Und jetzt mache ich das so, wie ich jetzt denke, wie ich sie jetzt am liebsten machen würde. Und da bin ich zurzeit sehr zufrieden. Was meine freien Arbeiten betrifft, da bin ich jetzt so eher in architektonischer Richtung unterwegs. Mehr in Richtung einer Plastik, also geschlossene Arbeiten.

D.h. es wird auch immer wieder mit Form und Farbe und auch mit dem Ton experimentiert oder weiterentwickelt, bis zur vollen Zufriedenheit, bzw. es geht eh immer weiter?
Was auch gerade die Salzbrandoberflächen betrifft, also die Form ist das eine, aber die Oberfläche kann vielleicht mal was Fehlerhaftes, zufälliges haben, was dann aber trotzdem interessant sein kann. Dann frage ich mich, wie ist das passiert, kann ich das vielleicht sogar bewusst einsetzten? Oder dass ich mal einfach doch ein anderes Material dazu kombiniere, zum Beispiel Porzellan nehme und das dann mit in die Oberfläche einarbeite. Da gibts noch so viele neue Möglichkeiten, das geht wirklich immer weiter.

Sehr spannend. Mal was anderes, wie lange arbeitest du an einem Stück?
Das kann man gar nicht so generell sagen. Diese großen Stücke, die großen Gefäße, baue ich mit der Wulstechnik auf, das hab ich mir an der Fachschule angeeignet und das ist eigentlich ideal. Diese Technik habe ich für mich so weit entwickelt, dass ich jegliche Form damit bauen kann. Das ist vielleicht erst mal langwierig, aber ich finde, das geht doch relativ schnell und so kann ich schon innerhalb von 2,3 oder vier Tagen ein richtig großes Stück erstellen.

Und wie viel davon passen in einen Ofen?
Das kommt auf die Größe an. Ich habe ja damals direkt den Ofen so konzipiert und gebaut, dass da schon größere Stücke hereinpassen, also das geht bis gut zu einem Meter Höhe.

Was ist denn so dein wichtigstes Werkzeug, was du am häufigsten benutzt?
Mein wichtigstes Werkzeug sind natürlich meine Hände, ich brauche nicht viel Werkzeug. Bei den größeren Stücken nutze ich für die Formgebung Holzpaddel, die ich mir selbst gemacht habe. Wenn der Ton etwas angetrocknet ist, klopfe ich damit die Form. Ich klopfe von innen und außen, damit arbeite sehr gerne und kann dann wirklich akribisch genau meine Form erstellen.

Bei wie viel Grad brennst du denn deine Stücke?
Im Steinzeugbereich, d.h. 1.240 – 1.250°

Martin Goerg - Höhr-Grenzhausen

Das Wichtigste für alle, kannst du davon auch leben?
Ja, ich konnte, als ich anfing, mit der eigenen Werkstatt, sehr gut für mich allein davon leben. Nun habe ich inzwischen eine Familie, dann wird es natürlich schwieriger. Aber dadurch, dass meine Frau auch noch mit dazu beiträgt, funktioniert es ganz gut.

Warum sollte jemand deine Keramik kaufen?
Da würde ich sagen, sie ist sehr einzigartig, durch diese Oberfläche, die ist besonders, hat also nichts mehr mit dem traditionellen Salzbrand zu tun.

Und wenn du mal so über einen Markt schlenderst, wenn du überhaupt Zeit dafür hast, oder mal bei Ausstellungen dir andere Keramiken anschaust, was ist für dich wichtig, was macht für dich gute Keramik aus?
Keramik ist für mich gut, wenn sie sehr persönlich und was Eigenes ist. Wenn eine eigene Idee verwirklicht wird und diese auch verfolgt und weiterentwickelt wird und nicht irgendwas machen, was gerade en vogue oder hip ist.

Dann sind wir ja auch schon bei diesem Thema. Welche Keramiker oder welcher Keramiker schätzt du denn besonders, wer könnte dich beeinflusst haben?
Das ist schwierig. Beeinflusst hat mich wohl in der Anfangszeit Bernhard Leach. Der hat ja das „Töpferbuch“ geschrieben, das war ja die „Bibel“ der Studiokeramik in den siebziger und achtziger Jahren. Wer mich auch wirklich immer sehr fasziniert hat, ist der Keramiker Claudi Casanovas aus Katalonien, der sehr kraftvolle und materialbetonte Keramikarbeiten gemacht hat.

Alles sehr spannend. Könntest du dir eigentlich auch vorstellen, was anderes zu machen oder hattest du mal andere Ideen im Kopf, wenn das jetzt nicht Keramik sein sollte?
Mit welchem Material ich auch immer sehr gern arbeite ist Holz und zu Hause habe auch noch eine kleine Holzwerkstatt, wo ich auch schon mal Kleinmöbel mache.

Das Tischlern ist demnach ein Hobby von dir?
Nicht nur, das mache ich mir auch zunutze. Für die Brottöpfe mache ich zum Beispiel auch die Holzdeckel selbst.

Ach, das wäre meine nächste Frage gewesen, ob du das Holz auch mit deiner Keramik kombinierst, also du suchst das passende Holz raus, du sägst, schleifst, ölst, polierst, … sehr schön.

Martin Goerg - Höhr Grenzhausen

Wo findet man denn deine Keramik oder auf welchen Märkten bist du so unterwegs?
Also in erster Linie bin ich immer mit meiner Keramik hier bei uns vertreten. Wir haben hier einen großen Ausstellungs- und Verkaufsraum und haben regelmäßige Öffnungszeiten. Und dann bin ich hier und da in Ausstellungen in Deutschland unterwegs und auf ausgesuchten Keramikmärkten, zum Beispiel in Oldenburg und in Alzey bin ich im November immer dabei.

Zu guter Letzt noch die Frage, was bedeutet denn Höhr-Grenzhausen für dich?
Na ja, dadurch, dass ich mein ganzes Leben mehr oder weniger hier in Grenzhausen verbracht habe, ist es erstmal der Ort für mich, wo ich lebe und arbeite. Und da meine Familie ja auch hier zu Hause ist, ist das hier mein Ort. Hier sind viele nette Leute und dann ist es auch landschaftlich einfach schön.

Ja, das sagen viele andere auch. Vor allem, was ihr in Kleinklein habt, ihr habt hier viele Keramiker an einem Fleck, im restlichen Höhr-Grenzhausen und Umgebung sind auch noch viele weitere Keramiker aktiv.
Ja, durch die Keramik sind viele interessante Leute hier in den Ort gekommen und einige sind auch da geblieben, sodass es eine interessante Mischung von Leuten ist, die man sonst gar nicht so hier im Westerwald hat.

Das ist das Hier und Jetzt, wie siehst du denn die Zukunft, was denkst du, wie es in 10 oder 20 Jahren aussehen kann?
Die Antwort ist wirklich schwierig, weil es kaum noch Betriebe gibt, die Keramiker ausbilden. Es gibt zwar die Schulen hier, aber die Schulen erwarten eine abgeschlossene Ausbildung. Ich denke, die Grundausbildung müssten jetzt die Schulen übernehmen, um auch wieder junge Leute hier in den Ort zu holen, die sich für Keramik interessieren und auch hier die Keramik machen wollen, sodass dann auch die kleinen Werkstätten hier weiter bestehen bleiben können. Es ist einfach wichtig, dass der Nachwuchs kommt. Handgemachte Keramik ist zurzeit sehr beliebt und wird doch auch gut verkauft. Ich denke, es gibt zurzeit ein Bedürfnis nach Handgemachtem. In der ganzen technisierten Welt, alles dreht sich um Computer und das Digitale, gibt es wirkliche Bedürfnisse nach dem Ursprünglichen.

Also d.h. du siehst es so, dass die Fachschule die Chance nutzen sollte und hier in Höhr-Grenzhausen wirklich komplett von Anfang an ausbilden sollte?
Ja, die sollten von Grund auf ausbilden. Unsere Fachschule ist bestens ausgestattet und es gibt ja noch andere Institute und Schulen, wie auch die Fachhochschule. Das sind eigentlich die idealen Voraussetzungen und es muss wirklich da auch fortgeführt werden.

Vielen Dank Martin
Bitteschön.