Höhr-Grenzhausen wird UNESCO Creative City
Höhr-Grenzhausen ist nun UNESCO Creative City – und zeigt, wie Handwerk zur Weltkultur wird
Wenn sich die Kulturwelt in einem Netzwerk von Metropolen organisiert, erwartet man dort Namen wie Florenz, Barcelona oder Kyoto. Seit dem 30. Oktober 2025 steht nun auch Höhr-Grenzhausen auf dieser Liste – eine Kleinstadt im Westerwald, bekannt für seine jahrhundertalte Keramiktradition. Die UNESCO hat sie zur Creative City ernannt und damit erstmals in Deutschland eine Stadt des Handwerks in ihr globales Programm aufgenommen. Was zunächst unscheinbar wirkt, markiert in Wahrheit eine kulturpolitische Zäsur: Der Titel verleiht dem Ort internationale Sichtbarkeit, an dem sich Handwerk, Kunst und Forschung in seltener Dichte begegnen.


Das Netzwerk der UNESCO Creative Cities fungiert als Forum für nachhaltige Stadtentwicklung. Es vereint weltweit über 400 Städte, die Kultur nicht als Ornament, sondern als Substanz gesellschaftlicher Erneuerung begreifen. Für Höhr-Grenzhausen bedeutet die Aufnahme deshalb weit mehr als eine symbolische Auszeichnung. Sie ist Anerkennung einer jahrhundertealten keramischen Tradition – und zugleich ein Auftrag, aus dieser Geschichte Gegenwart und Zukunft zu gestalten.
Im sogenannten Kannenbäckerland, jener hügeligen Landschaft zwischen Montabaur und Neuwied, liegen einige der reichsten Tonvorkommen Europas. Hier wurde seit dem Mittelalter gebrannt, geformt und glasiert; das Westerwälder Steinzeug war begehrt in ganz Europa. 2016 nahm die Deutsche UNESCO-Kommission diese Töpfertradition in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes auf. Doch anders als viele Orte, die von ihrer Vergangenheit leben, hat Höhr-Grenzhausen gelernt, sie produktiv zu befragen.
Mikrokosmos keramischer Kultur
Heute ist die Stadt ein Mikrokosmos keramischer Kultur: In den Ateliers entstehen Gefäße, Skulpturen und Experimente, die stetig Tradition und Innovation miteinander verbinden. Das Institut für Künstlerische Keramik und Glas und die Abteilung Werkstofftechnik Glas und Keramik der Hochschule Koblenz bilden gemeinsam mit der Fachschule für Keramikgestaltung und Keramiktechnik ein enges Geflecht von Praxis und Theorie, das Studierende und Künstler:innen aus aller Welt anzieht. Manche bleiben, eröffnen eigene Werkstätten, gründen Start-ups oder Lehraufträge – und machen die Stadt zu einem Ort, an dem sich Kunst und Handwerk stetig weiterentwickeln.
Höhr-Grenzhausen beschreibt sich als Kern der Westerwälder Keramiklandschaft, als einen Ort, an dem die Grenzen zwischen Kunst, Wissenschaft und Produktion durchlässig werden. Tatsächlich hat sich hier ein Ökosystem entwickelt, das weit über den Westerwald hinausstrahlt. Mehr als 2.500 Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt an die Keramik- und Glasbranche gebunden, hinzu kommen international tätige Unternehmen der Glasveredelung und Spezialkeramik.
Still, konzentriert und mit feinen Klang
Dass eine Kleinstadt aus dem Westerwald nun Teil eines globalen Netzwerks ist, mag überraschen. Doch gerade darin liegt ihre Stärke: Sie zeigt, dass kulturelle Exzellenz nicht zwingend an Größe gebunden ist. In Höhr-Grenzhausen wird deutlich, wie sich aus lokalem Wissen weltweite Relevanz formen lässt – Schicht für Schicht, wie bei einem sorgfältig aufgebauten Gefäß.
Am Ende steht mehr als eine Anerkennung. Es ist die Einladung, das Handwerk als lebendige Kunst zu begreifen und die Keramik als Sprache einer nachhaltigen, reflektierten Moderne zu lesen. In Höhr-Grenzhausen hat diese Zukunft bereits begonnen – still, konzentriert und mit feinen Klang – getragen vom Bewusstsein, Teil eines lebendigen kulturellen Erbes zu sein.















