Nach dem Leben geformt. Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils

Die Fortsetzung der Wanderausstellung im Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden.

Die bereits im vergangenen Jahr im Keramikmuseum Westerwald gefeierte Wanderausstellung „Draußen“, die in Kooperation mit dem Forum Gestaltung e.V. / Wewerka Archiv in Magdeburg und der Ernst Barlach Stiftung in Güstrow entstand, ist nun in erweiterter Form im Stadtmuseum Wiesbaden zu sehen.

Die Ausstellung ist die vierte und letzte Station, an der das Werk von Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils präsentiert wird. Das erstaunliche Schaffen des fast in Vergessenheit geratenen Künstlers, der seine wohl prägendste Ausbildungszeit in Höhr-Grenzhausen verbrachte, wird nun in Wiesbaden durch hervorragend aufbereitete Schautafeln ergänzt, die den kurzen Lebensweg des Ausnahmekünstlers nachzeichnen. Dank der leidenschaftlichen Erforschung und Dokumentation der europäischen Keramik des 18. und 19. Jahrhunderts durch das Ehepaar Blanka & Ulrich Linnemann konnten die Darstellungen um neue Erkenntnisse erweitert werden.

Hans Wewerka, lange Zeit ein verborgenes Juwel der künstlerischen Keramik, erfährt heute eine begeisterte Wiederentdeckung. Seine Werke werden nicht nur als zeitlose Meisterwerke, sondern auch als Wegbereiter einer neuen Ära der Keramikkunst bewundert und unterstreichen einmal mehr die Bedeutung des Westerwälder Steinzeugs und Höhr-Grenzhausens als bedeutenden Keramikstandort.

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© Janos Wlachopulos

Hans Wewerkas Bezug zu Höhr-Grenzhausen.

1912 erwarb das Landesmuseum Nassauischer Altertümer für den geplanten Museumsneubau an der Rheinstraße ein größeres Konvolut modernen Westerwälder Steinzeugs, darunter drei Figuren von Hans Wewerka. Das Ensemble von 18 Keramiken, dass sich im Sammlungsbestand der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden, Sammlung Nassauischer Altertümer befindet, wird in der Ausstellung in Teilen gezeigt. Es dient als Ankerpunkt für einen erweiterten Blick auf den künstlerischen Aufbruch, der das Westerwälder Steinzeug um 1900 erfasste und die Voraussetzungen für Hans Wewerkas innovative Figurenplastik schuf.

Auch Wiesbaden hatte Anteil an dieser Entwicklung. Heute vergessen, erhielt Ernst Barlach hier 1909 auf der 1. Großen Wiesbadener Kunst- und Gewerbeausstellung die Goldene Medaille und den Ehrenpreis des preußischen Staates für seine von der Russlandreise 1906 inspirierte Figurenplastik.

1904/05 begegnete Hans Wewerka ihm, der noch vor seinem künstlerischen Durchbruch stand, an der Königlichen Keramischen Fachschule in Höhr als Lehrer für figürliches Modellieren und Zeichnen. Dieses Zusammentreffen prägte persönlich und künstlerisch den jungen Hans Wewerka, wie sich an seinen figürlichen Arbeiten der Frühzeit deutlich zeigt.

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© Janos Wlachopulos

Hans Wewerkas Figurenplastik – empathischer Blick auf Menschen des Alltags mit künstlerischer Raffinesse und Reduktion auf das Wesentliche

Hans Wewerkas Kleinplastik entstand zwischen 1908/1909 und 1913. In dieser Zeit bildete er sich an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf bei Rudolf Bosselt (1871 – 1938) zum Bildhauer weiter und wirkte ab 1911 als Lehrer an der Kunstgewerbeschule Magdeburg in der Klasse für Bildhauer und Modelleure.

 

Die Figuren zeigen im Spannungsfeld von Jugendstil, Realismus und Expressionismus vorwiegend Menschen des Alltags wie Marktfrauen, Frauen mit Kindern und Wanderhändler. Seine Motive fand der Künstler zumeist auf der Straße und auf Marktplätzen in dem um 1900 verarmten, kleinbäuerlich geprägten Westerwald. Gezeigt werden alle bislang bekannten 56 Figuren, die 11 verschollenen im Foto. Ausgeführt zumeist in salzglasiertem Steinzeug durch die Keramikfirmen Reinhold Hanke und Reinhold Merkelbach, markieren sie den Beginn figürlicher Serienproduktion in der Westerwälder Steinzeugindustrie.

 

Schon die Zeitgenossen rühmen die hohe plastische Qualität von Wewerkas figürlicher Plastik, für die er, bisher unbekannt, 1910 auf der Brüsseler Weltausstellung eine Silbermedaille erhielt. Die reduzierte, blockhafte Formgebung im Frühwerk erinnert an Barlachs Figuren von Bauern und Bettlern, die nach der Russlandreise 1906 entstanden. Prägenden Einfluss, insbesondere bei der Themenwahl hatten darüber hinaus der für seine Kleinplastik gerühmte niederländische Bildhauer Joseph Mendes da Costa (1863 – 1939) sowie der Bildhauer und Reformpädagoge Rudolf Bosselt. Ausgewählte Werke aller drei Künstlern sind in der Ausstellung zu sehen.

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© Janos Wlachopulos

Gezeigt werden in Wiesbaden auch die wenigen, sicher nachweisbaren Gefäßentwürfe, die Hans Wewerka mehrheitlich für die Firma Reinhold Hanke aus Steinzeug schuf. Darunter befindet sich als Leihgabe aus Magdeburger Museumsbesitz eine Bowle mit einem Fries musizierender Putten, die nunmehr zweifelsfrei als Werk von Hans Wewerka anzusehen ist.

Die Ausstellung bietet eine einzigartige Gelegenheit, das gesamte, vor allem figürlich geprägte Lebenswerk von Hans Wewerka vor dem Hintergrund seiner Biographie zu sehen und Hans Wewerkas bedeutenden Beitrag zur deutschen Keramikkunst des frühen 20. Jhs. zu würdigen.

„Nach dem Leben geformt. Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils“
20. März bis 21. Juli 2024 im sam – Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden

Öffnungszeiten

20. März bis 21. Juli 2024

Dienstag – Sonntag 11.00 – 17.00 Uhr, Donnerstag 11.00. – 20.00 Uhr

Eintritt:

6 € | 4 €*, Freier Eintritt für alle unter 18 Jahren.

*Ermäßigung für Studierende, Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Schwerbehinderte, Arbeitslose, Besitzende der Wiesbaden TouristCard, der Ehrenamtscard oder der Kurkarte sowie Fahrkarten der Thermine.

Weitere Infos auch zum Begleitprogramm unter: www.stadtmuseum-wiesbaden.de